Gletschergrab
mit ihren Dienstgraden nicht aus. Ratoff dachte sich, dass sie den Absturz vermutlich nicht überlebt hatten und dort von den Überlebenden niedergelegt worden waren. Der eine hatte eine große Kopfwunde und war wahrscheinlich sofort tot gewesen, als das Flugzeug auf dem Gletscher aufschlug. Der andere wirkte auf den ersten Blick unversehrt.
Er war besser gekleidet, trug zwei Mäntel übereinander und eine Pelzmütze auf dem Kopf.
Er drehte sich um, kletterte aus dem vorderen Teil des Wracks und stieg in den hinteren Teil der Maschine. Dort war es dunkel, weil das Heck immer noch zum größten Teil im Gletscher steckte. Ratoff brauchte Hilfe, um durch das Loch zu klettern. Er griff nach seiner Taschenlampe, leuchtete in das Heck hinein und sah drei weitere Leichen. Sie lagen eng beieinander, als 158
hätten die Männer in ihren letzten Stunden versucht, sich gegenseitig zu wärmen. In der Maschine befanden sich sechs Leichen, wenn man den Mann mitzählte, der draußen neben dem Flugzeug gefunden wurde. Ratoffs Informationen zufolge hätten es sieben sein sollen.
Die Männer waren alle bläulich weiß, soweit ihre Haut zu sehen war, und völlig unverwest. Ratoff sah, dass zwei Leichen primitiv zurechtgezimmerte Schienen an den Beinen trugen, dann entdeckte er zu seiner großen Überraschung, dass zwei der Toten wie Landsleute gekleidet waren. Wie Amerikaner! Der eine muss der Pilot gewesen sein, dachte Ratoff. Er trug eine Lederjacke, die Uniform der amerikanischen Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg. Auf dem Ärmel war eine kleine amerikanische Flagge aufgenäht und vorn auf der linken Brust ein kleines schwarzes Leinenetikett mit seinem Namen. Es war zweifellos ein amerikanischer Name. Ratoff schätzte den Mann auf nicht älter als fünfundzwanzig. Der andere trug die Uniform eines amerikanischen Generalmajors mit zwei Sternen auf der Schulterklappe. Er hatte einen Orden an der Brust, den Ratoff nicht kannte, und war deutlich älter als der Pilot, sicherlich schon knapp sechzig. Eine stabile Aktentasche war mit einer Eisenkette an seinem Handgelenk befestigt.
Ratoff konnte sich darauf keinen Reim machen. Was machte ein amerikanischer Kampfflieger mit deutschen Generälen auf halber Strecke nach Westen über den Atlantik in einem Flugzeug der Nazis, das noch dazu mit amerikanischen Tarnfarben bemalt war?
Er musste sich tief bücken, um in das Heck der Junkers zu gelangen. Er leuchtete mit der Taschenlampe umher und stieß bald auf zwei Holzkisten, ungefähr in der Größe von Weinkisten. Die Deckel waren zugenagelt, aber Ratoff fand ein Stück Eisen auf dem Boden und konnte einen von ihnen aufbrechen. Die Nägel im Deckel quietschten, als sie langsam nachgaben und die Kiste sich allmählich öffnete. Darin lagen 159
einige kleine Säckchen aus Samt, die oben sorgfältig zugebunden waren. Es waren um die zwanzig. Ratoff griff nach einem Säckchen, knotete es auf und zog einen eiskalten Goldbarren heraus. Er trug eine Prägung des Dritten Reichs.
Ratoff betrachtete den Goldbarren, wog ihn in der Hand und lächelte. Dann sah er sich weiter um.
Nur zwei Kisten, dachte er. Das ist ja gar nichts! Wo ist der Rest? Warum ist nicht mehr Gold da? Ratoff hatte viel mehr als diese zwei Kisten erwartet. Er hatte damit gerechnet, dass die ganze Maschine mit Goldbarren mit Naziprägung beladen war.
Er legte den Goldbarren in seinem Säckchen zurück in die Kiste und nagelte sie wieder zu.
Konnte es sein, dass sie das Gold aus der Maschine gebracht hatten?, dachte er. Alles aus dem Flugzeug geholt und im Eis vergraben hatten? Als er die Sache genauer durchdachte, wurde ihm klar, dass die Maschine wohl kaum groß genug war, um all das Gold zu transportieren, das sie laut seinen Informationen an Bord gehabt haben sollte. Aber wenn nicht das Judengold der Grund dafür war, dass der militärische Geheimdienst diesen Flecken Erde jahrzehntelang überwacht hatte, was war es dann?
Zwei Kisten mit Gold würden wohl kaum einen dritten Weltkrieg auslösen. Zwei dämliche Kisten! Was hatte dieses Flugzeug noch geladen?, fragte sich Ratoff. Was zum Teufel war in dieser Maschine, das seine Vorgesetzten jedes Mal in Panik geraten ließ, sobald sie dachten, dass sie aus dem Gletscher aufgetaucht war?
Ratoff hatte sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt und konnte jetzt mehr erkennen. Er durchsuchte das Flugzeug von oben bis unten, konnte aber keine weiteren Kisten finden. Das persönliche Gepäck der Passagiere bestand ausschließlich
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