Gletschergrab
aus der Aktentasche. Er hatte von Carr besondere Anweisung bekommen, alle Dokumente aus dem Flugzeug zu bergen, egal, worum es sich handelte. Er machte sich mit dem Eisenstück über die Aktentasche her und konnte mit einiger Anstrengung 160
das Schloss aufbrechen. Als er sie öffnete, sah er Mappen und Papiere darin. Die würde er sich später ansehen. Er tastete die Leichen ab, fand Brieftaschen und Pässe bei ihnen und sammelte sie ein. Die Männer in den deutschen Uniformen schienen zwischen vierzig und sechzig Jahre alt gewesen zu sein, als die Maschine abstürzte. Einer von ihnen trug eine Schulterklappe, die Ratoff für das Rangzeichen eines Generals hielt. Er hatte einige Orden an der Brust, die Ratoff nicht kannte, und wie der Mann, der neben dem Flugzeug gelegen hatte, trug er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes um den Hals, die höchste Auszeichnung der deutschen Truppen während des Zweiten Weltkriegs.
Ratoff kletterte wieder aus dem Flugzeug und sah, dass die Vorbereitungen für den Abtransport des Flugzeugbugs bereits angelaufen waren. Er befahl, die Leichen aus der Maschine zu bergen, in Leichensäcken zu verstauen und in die Zelte zu legen.
Er betrat noch einmal den vorderen Teil des Wracks und ging direkt in das Cockpit, um sich dort umzuschauen. Es gab zwei Plätze für den Piloten und den Copiloten, aber es sah so aus, als habe der amerikanische Flieger die Maschine allein gesteuert. Er fand die Flugkarte, die der Pilot angefertigt hatte, und nahm sie zusammen mit dem Logbuch des Flugzeugs an sich. Als er sich gerade umdrehen und wieder nach draußen gehen wollte, bemerkte er ein kleines, rot eingebundenes Notizbuch unter dem Sitz des Copiloten und steckte es ebenfalls ein.
Als er aus der Maschine stieg, rief man im Kommunikationszelt nach ihm. Carr war am Telefon.
»Spionierst du mir vom Himmel herunter nach?«, fragte Ratoff, als er den Hörer hochhob.
»Wozu sollte man Milliarden in diese Geräte investieren, wenn man sie nicht einsetzt«, antwortete Carr. »Was hast du gefunden?«
Ratoff schickte die Nachrichtentechniker aus dem Zelt. Die 161
Telefongespräche wurden über einen verschlüsselten Kanal der Delta-Einheiten gesendet. Ratoff wartete, bis er allein war.
»Was geht hier vor?«
»Was meinst du damit?«
»Ich habe bloß zwei Kisten mit Gold gefunden. Du hast gesagt, das Flugzeug sei voll davon. Zwei beschissene Kisten.
Das ist alles.«
»Vielleicht haben sie es im Eis vergraben. Vielleicht wird es nie gefunden.«
»Vielleicht geht es eigentlich gar nicht um das Gold«, sagte Ratoff.
Es entstand eine kurze Stille in der Leitung.
»Du hast mir auch nie mitgeteilt, dass ein amerikanischer Pilot an Bord war«, fuhr Ratoff fort. »Und ein Generalmajor von uns.«
»Sieh dich vor. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«
»Es sieht so aus, als hätten einige den Absturz überlebt«, sagte Ratoff. »Unser Pilot und zwei von den Deutschen. Nach den Zahlen, die du mir gegeben hast, fehlt ein Deutscher. Vielleicht liegt er im Eis begraben. Vielleicht ist er losgegangen und hat Hilfe gesucht. Mit ihrer dünnen Kleidung und ohne Nahrung konnten sie kaum lange hier oben auf dem Gletscher überleben, und ich zweifle doch sehr daran, dass sie mit einer Ladung Gold durch die Gegend marschiert sind, um sich warmzuhalten.
Außerdem ist die Maschine zu klein für so schwere Fracht.
Wenn ihr nicht hinter dem Gold her seid, was sucht ihr dann?
Sag mir, was hier auf diesem Gletscher am Arsch der Welt vor sich geht.«
»Es gibt sechs Leichen?«
»Ja.«
»Es sollten sieben im Flugzeug sein.«
»Ist das etwas, worüber man sich Sorgen machen muss?«
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»Der siebte Mann ist niemals wieder aufgetaucht. Vielleicht haben sie ihn in größerer Entfernung von der Maschine begraben. Vielleicht hat er versucht, bewohnte Gebiete zu erreichen.«
»Wenn im Flugzeug kein Gold ist«, wiederholte Ratoff, »auf was seid ihr denn dann so scharf?«
»Ratoff«, erwiderte Carr mit Nachdruck. »Es steht dir nicht zu, herumzuschnüffeln und Fragen zu stellen. Das weißt du.«
»Geht es um die Aktentasche?«
»Ratoff.« Carrs Stimme war jetzt sehr ernst. »Spiel nicht mit dem Feuer. Tu, was man dir gesagt hat. Diese Operation ist dir nicht zufällig anvertraut worden.«
»Das Einzige, was ich gefunden habe, war die Aktentasche des Generals. Ich habe sie nicht aufgemacht. Außerdem waren da noch das Logbuch des Piloten und ein Notizbuch, von dem ich nicht weiß, wozu es gedient hat. Ich habe
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