Gletschergrab
los und rannte über das Eis auf einen Lichtschein zu, der in etwa acht Kilometern Entfernung über dem Gletscher stand. Er wusste, dass die Amis sämtliche Bewegungen auf dem Gletscher überwachten und er jederzeit damit rechnen musste, dass Soldaten aus dem Dunkel auftauchen und ihn anhalten würden.
Wahrscheinlich mit Waffengewalt.
Júlíus war durchtrainiert und kam auf dem Eis rasch voran. Je näher er kam, desto heller wurde das Licht, und er rätselte, was da eigentlich auf dem Gletscher vorging. Er hörte ein dröhnendes Geräusch, das sich näherte, und beobachtete, wie die beiden Pavehawk-Hubschrauber über dem Gebiet kreisten und landeten. Nach und nach schwoll das knatternde Geräusch der riesigen Rotorblätter ab, und alles wurde wieder still. Er rannte noch schneller und erreichte endlich den Rand des erleuchteten Gebiets. Dort verlangsamte er das Tempo, warf sich auf das Eis und kroch das letzte Stück bis auf eine kleine Erhöhung, von wo aus er die ganze Szenerie überblicken konnte.
Er hatte keine Ahnung gehabt, was ihn erwarten würde, und starrte fassungslos auf den Anblick, der sich ihm bot. Die zwei Helikopter. Das Wrack der alten Maschine, das man auseinander 270
geschnitten und mit Planen verhüllt hatte. All die Soldaten, die über das Gelände wimmelten. Die Zelte. Die technische Ausrüstung. Er traute kaum seinen eigenen Augen. Er sah, wie die Hubschrauberpiloten in ein Zelt gewiesen wurden und wie kurze Zeit später eine Frau in ein anderes Zelt gebracht wurde.
Er hatte Kristín noch nie getroffen, geschweige denn den Mann, der hinter ihr hergestoßen wurde, aber er konnte sehen, dass sie Gefangene waren.
Im gleichen Augenblick hörte er ein Knirschen im Schnee, und neben ihm tauchten Militärstiefel auf. Als er hochschaute, sah er drei Soldaten, die ihre Maschinenpistolen auf ihn gerichtet hatten. Júlíus stand langsam auf, und da er nicht recht wusste, wie er reagieren sollte, hob er die Hände hoch. Das schienen die Soldaten zu akzeptieren. Sie sprachen nicht, sondern bedeuteten ihm mit den Läufen ihrer Maschinenpistolen, hinunter zum Zeltlager zu gehen. Júlíus war auf den Radarschirmen als kleiner Fleck beobachtet worden, der sich dem Lager langsam näherte.
Als man der Sache auf den Grund ging, stellte sich heraus, dass es kein Mitglied der Spezialeinheit war, sondern jemand aus der isländischen Rettungsmannschaft. Aber zu dem Zeitpunkt hatte Júlíus das Gebiet schon fast erreicht.
Während er zu einem der Offiziere der Delta-Einheit geführt wurde, versuchte er, sich unterwegs alles genau einzuprägen. Er bemerkte, dass die Soldaten angefangen hatten, die Zelte abzubauen und die Geräte und Werkzeuge zu verstauen. Der Einsatz auf dem Gletscher schien seinem Ende entgegenzugehen.
Júlíus und der Offizier waren allein in einem der Zelte. Er schaute den Isländer so ungläubig an, als käme er von einem anderen Planeten, und Júlíus, der sich auch fast so fühlte, schilderte ihm, was vorgefallen war, wie er sich von seiner Mannschaft weggeschlichen hatte und im Schutz der Dunkelheit über das Eis bis zum Lager gelaufen war.
Er sagte, dass noch andere Isländer unterwegs seien und log 271
ihm vor, dass sie, kurz bevor ihnen die technische Ausrüstung abgenommen worden war, Nachricht aus Reykjavik erhalten hätten, dass weitere Rettungsmannschaften auf dem Weg zum Gletscher seien, ebenso Polizei und Küstenwache.
Der Offizier hörte ihm zu und nickte. Er fragte Júlíus, ob noch andere aus der Gruppe entkommen seien, was er verneinte.
Zudem protestierte Júlíus gegen diese Behandlung seiner Mannschaft und erklärte, dass die Sache ein Nachspiel haben werde und er sich darauf freue, den Medien davon zu berichten, wie amerikanische Truppen auf isländischem Hoheitsgebiet mit ihm und seiner Mannschaft umgesprungen waren.
Sie hörten, wie einer der Pavehawks angeworfen wurde.
»Rühr dich nicht vom Fleck«, sagte der Offizier zu Júlíus, ging zum Zelteingang und sah, wie Ratoff einen der Hubschrauber bestieg, der dann abhob. Der Lärm war ohrenbetäubend, und der Helikopter verschwand fast in dem hochwirbelnden Schnee. Die schweren Stahltrossen, die von ihm herunterhingen, strafften sich, und bald ging ein Ruck durch das vordere Teil der alten Maschine, sie löste sich vom Eis und schwebte noch eine Weile in den Lichtkegeln der Scheinwerfer, bevor sie in die Finsternis eintauchte.
Als der Offizier sich wieder umdrehte, sah er im Zelt nur noch einen mannshohen
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