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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Glück sagen, dass es in der
damaligen Zeit passiert ist. Ich glaube, dass heute alles noch viel schlimmer
wäre. Heute würden die ganzen Proll-Sender auch drauf einsteigen. Und dann kann
man sich wahrscheinlich eh nur noch die Kugel geben.«
    Kröninger nickte, und Ellen horchte dem Klang in Pauls Stimme nach,
als er von »die Kugel geben« sprach.
    Es trat eine Stille ein, in der jeder der drei damit beschäftigt
war, den Gedanken nachzuhängen. Dann räusperte sich Kröninger und sagte: »Ich
möchte mal zusammenfassen. Die Eltern dieses Mädchens haben erfahren, dass ihre
Tochter bei frühzeitiger Bergung aus dem Wrack unter Umständen hätte überleben
können. Sie haben, wahrscheinlich erst mit einigem Abstand, also nach dem
Schock und der ganzen Verzweiflung in der Frühphase des Geschehens, erkannt,
dass es dieser Fotograf gewesen sein muss, der hätte helfen können. Der
Fotograf respektive die Fotografin, dessen beziehungsweise deren Identität nie
geklärt worden ist. Es liegt also nahe, dass die Eltern den Fotografen und auch
die Zeitungsleute, die ihn gedeckt haben, für schuldig halten. Und natürlich
Spiss, der das Unglücksauto gesteuert hat. Können Sie mir da zustimmen,
Schwarzenbacher?«
    Schwarzenbacher nickte. »Das heißt, wenn wer ein griffiges Motiv
hat, dann sind es die alten Eltern von Carla Manczic. Die Mutter ist gestorben.
Bleibt Manczic selbst – und der ist mittlerweile zu verdattelt …«
    Er brach abrupt ab, sah zu Ellen und zu dem Staatsanwalt a. D. und
schüttelte den Kopf. »Stimmt nicht ganz. Wir haben ihn bis vor Kurzem für allzu
verdattelt gehalten. Aber dann ist etwas geschehen, was ihn in etwas anderem
Licht erscheinen lässt. Ich vermute, dass er nur halb so gaga ist, wie er sich
oft den Anschein gibt. Theoretisch könnte er hinter der Sache stecken. Er
könnte, wenn man ein bisschen Phantasie aufbringt, den Mord an Spiss veranlasst
haben. Bleibt die Frage: Warum erst nach so langer Zeit …?«
    Kröninger zuckte mit den Schultern. »Dieses Rätsel werden Sie wohl
selbst lösen müssen. Wer ist eigentlich vonseiten der Kripo an der Sache dran?«
    »Hosp.«
    Der alte Staatsanwalt nickte. »Wird nicht leicht sein, die Realität
von der Phantasie zu unterscheiden.«
    Als sie sich dann anschickten, das Café zu verlassen, fiel Kröninger
noch etwas ein. Vor der üppig ausgestatteten Kuchentheke drehte er sich zu
Schwarzenbacher und Ellen um und sagte: »Wenn Sie mit Ihrer Phantasie einen
wahren Kern treffen, dann müsste Manczics Hass noch einen weiteren Beteiligten
treffen. Ich glaube nämlich, dass der Alte mit dem Tod von Spiss seinen Frieden
noch nicht gefunden hat.«
    Schwarzenbacher nickte. Über sein Gesicht huschte ein wissendes
Lächeln.
    Der Fotograf, dachte Ellen. Bald hängt auch der obskure Fotograf an
einem Baum.
    *
    Manczic saß auf einem Stuhl in seiner spartanisch eingerichteten
Einzimmerwohnung. Sie lag im Parterre. Zwischen dem Haus und der Straße war ein
drei Meter breiter Grünstreifen, kurz gemähte Wiese und mittendrin eine Birke.
    Er hatte kein Licht angeschaltet. Saß nur da und schaute hinaus. Den
vergilbten Store hatte er vor das sprossenlose Fenster gezogen. Die
Straßenlaternen waren bereits an, auch wenn es noch gar nicht richtig dunkel
geworden war. Er wusste, dass ihn von außen niemand sehen konnte. Er aber sah
alles, was draußen geschah. Manczic hielt Ausschau nach dem Jungen, der ihm
nach Wattens gefolgt war. Schon bei der Rückfahrt von dort hatte er bemerkt,
dass sein Partner recht gehabt hatte: Er war wirklich verfolgt worden. Der
Junge saß im Bus und im Zug, und in Innsbruck sah er ihn aussteigen.
    Jetzt saß Manczic in seinem Dunkel und wartete und spähte hinaus. Er
wartete darauf, dass sein Verfolger wieder auftauchen würde, vielleicht
irgendwo gegenüber an der Hauswand lehnte oder sich in den Schatten eines
Hauseingangs drängen würde.
    Der Kerl ist nicht das Hauptproblem, dachte Manczic. Aber er könnte
es werden.
    Eine Fliege brummte durch das Zimmer. Manczic hasste das Geräusch,
das Fliegen machten. Um sie zu erwischen, hätte er jedoch das Licht einschalten
müssen, und das tat er nicht. Alles war im Moment nebensächlich. Es ging nur
darum, herauszufinden, mit wem er es zu tun hatte.
    Ich werde den Spieß umdrehen, dachte er. Wenn du hier auftauchst
oder ich dich irgendwo entdecke, dann verfolge ich dich und nicht mehr du mich.
Glaub mir, Junge, du hast keine Chance.
    Manczic wartete. Er wartete, bis die Nacht tiefdunkel

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