Gletscherkalt - Alpen-Krimi
bislang nicht möglich. Du wirst es nicht
glauben: Die Frau, die sich um die Wohnung kümmert, hat keine Ahnung, wo er
sich da aufhält.«
»Das gibt es doch nicht!«, sagte Schwarzenbacher fassungslos. »Der
Mann muss doch ein Handy haben, eine Adresse, irgendwas.«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
»Natürlich muss er all das haben. Adresse, Handy, einen Laden, wo er
einkauft, einen Gasthof, wo er bisweilen isst oder ein Bier trinkt. Nur: Wir
wissen bislang nicht, wo das sein könnte. Südtirol ist ja nicht gerade klein.
Wir haben uns mit den Behörden in Bozen in Verbindung gesetzt. Irgendwo muss er
ja gemeldet sein, wenn er etwas gekauft oder auch nur gemietet hat. Aber alle
Erfahrungen aus der Vergangenheit lassen mich befürchten, dass diese Mühlen
langsam mahlen. Wir tappen also noch völlig im Dunkeln …«
»Was ist mit Manczic?«, fragte Schwarzenbacher.
»Langsam, langsam, Paul. Dazu wäre ich ohnehin gleich gekommen. Ich
bin aber mit Hellwage noch nicht fertig. Wir müssen ihn ausfindig machen! Und
zwar so schnell wie möglich. Wenn ein Zusammenhang besteht zwischen Spiss’ Tod
und dem Unfalltod des Mädchens, dann könnte der ehemalige Chefredakteur
wirklich in Gefahr sein. Wir tun alles in unserer Macht Stehende. Wasle sitzt
in Hellwages Innsbrucker Wohnung und forstet alle Papiere durch, die er in die
Hände bekommt. Das mag unkonventionell sein, aber vielleicht finden wir ja das
Haar in der Suppe …«
Schwarzenbacher schwieg, als müsste er erst über Hosps Ausführungen
nachdenken. Doch so war es nicht. Er kramte in seinem Gedächtnis nach einer
Erinnerung.
»Paul? Bist du noch da?«
»Hm.« Es war eine Zustimmung. »Mir fällt da gerade etwas ein. Bin
mir aber nicht sicher, ob ich meinem Gedächtnis trauen kann …«
»Raus mit der Sprache!«
»Wenn ich mich nicht täusche, hat dieser Hellwage auch Bücher
veröffentlicht. Irgendwas über Jugend. Ich glaube, mich an eine Besprechung in
›Profil‹ erinnern zu können …«
»Du bist ein alter Fuchs«, sagte Hosp. »Wenn er den größten Teil des
Jahres in seinem Südtiroler Domizil verbringt, dann wird er dort vielleicht
auch an seinem Buch gearbeitet haben. Und dann gibt es einen Verlag und im
Verlag einen Lektor. Der könnte vielleicht wissen, wie man Hellwage erreicht.
Vielleicht sogar, wo er sich aufhält. Paul, ich leite das sofort in die Wege …«
Schwarzenbacher spürte, dass Hosp gleich auflegen würde. Deshalb
schrie er förmlich ins Telefon: »Halt! Warte noch! Was ist mit Manczic?«
Die Antwort Hosps kam in kurzen, abgehackten Sätzen: »Stammt aus
Kroatien. Ein jüngerer Halbbruder, der im Balkankrieg eine unrühmliche Rolle
gespielt haben soll. Der ganze Clan, Brüder und Cousins, ist wohl ziemlich
nationalistisch eingestellt. Ich gehe davon aus, dass einige in diesem Krieg
waren, mit Waffen umgehen können, brutal genug wären, um jemanden kaltblütig
umzubringen …«
»Jugo-Scheiße«, sagte Schwarzenbacher.
»Kannst du laut sagen. Aber jetzt muss ich wirklich. Nur das noch:
Wir haben jetzt jemanden von unseren Leuten auf Manczic angesetzt. Er wird rund
um die Uhr überwacht. Wir kommen der Sache näher. Wir hören uns wieder.«
Dann war das Gespräch beendet, und Schwarzenbacher war mit Ellen und
mit seinen Gedanken allein.
»Du schaust so ernst«, sagte sie. »Ist was passiert?«
»Nein«, gab Schwarzenbacher zur Antwort. »Noch nicht …«
Das mit der Überwachung rund um die Uhr war eine Information,
die nur teilweise stimmte. Zwar wechselten sich junge Beamte in Zivil im
Zwei-Stunden-Rhythmus ab und beobachteten den Eingang zu dem Haus, in dem
Manczic wohnte. Zwar war ihnen bekannt, dass Manczic ins Haus gegangen war und
es nicht mehr verlassen hatte. Doch war Letzteres ein Irrglaube.
Manczic war zwar vor drei Stunden nach Hause gekommen, hatte dabei
aber bemerkt, dass er wieder beschattet wurde – wenngleich diesmal von einem
anderen jungen Mann als jenem von den Kristallwelten –, und hatte seine
Schlüsse daraus gezogen. Er hatte ein paar Kleidungsstücke in den alten
Rucksack gepackt, das Kuvert mit dem Geld aus seinem Versteck hinter der
Bodenleiste der winzigen Küchenzeile geholt und sich aus dem Staub gemacht.
Dass das Haus mit weiteren Stadthäusern einen riesigen Innenhof bildete, war
ihm dabei sehr zupassgekommen. Durch den Fahrradkeller war er aus seiner
Wohnanlage in den Hof gelangt, hatte hinter Mülltonnen gewartet, bis schräg
gegenüber jemand raus-und wieder reinging,
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