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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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weißt, ich kann diesen
Typen nicht ausstehen. Seine ewige Besserwisserei, in allem und oft auch gegen
alle Vernunft …«
    »Das mag ja sein«, sagte Pablo. »Aber mit dem ›Natural High‹ hat er
doch recht, oder?«
    Auf Marielles Gesicht machte sich ein immer frivoler werdendes
Grinsen breit. »Ich bin dafür, dass wir nicht mehr lange drüber reden«, sagte
sie. »Lass uns zum Klettern ans Sellajoch fahren. Und danach, in der St. Ulricher
Pension, die Reuss uns hat besorgen lassen, können wir noch ein weiteres
›Natural High‹ draufsetzen – das schönste von allen.«
    Pablo war weitgehend einverstanden. Nur dass er am liebsten aufs
Klettern verzichtet hätte und gleich in die Pension gefahren wäre.
    »Komm«, sagte er. »Lass uns aufbrechen.«
    *
    Der Mann war irritiert. Er war in Hellwages Auto nach Innsbruck
gefahren und hatte ganz bewusst die Brennerstraße genommen, nicht die Autobahn.
Er vermied alles, was dazu hätte beitragen können, seine Wege nachzuvollziehen.
An der Mautstelle waren Überwachungskameras, das war ihm völlig klar. Und er
wollte nicht, dass irgendjemand ein Foto von ihm in die Hände bekam. Es gab ihn
nicht. Er war nicht existent. Nicht in Österreich, nicht in Italien und nicht
einmal in dem Land, aus dem er stammte. Im Krieg damals, da war er umgekommen,
vermisst gemeldet – und bis heute fehlte von ihm fast jede Spur. Er wollte,
dass das ein für alle Mal so blieb – dass es ihn nicht gab.
    Er parkte in der Tiefgarage beim Landestheater, ganz zentral in der
Stadt. Im »Il Dottore« bestellte er sich eine Pizza Capricciosa. Er hatte einen
Tisch für sich allein und konnte durch die großen Scheiben auf den Platz
hinausschauen. Immer war er vorsichtig. Die Hauptsache war jetzt etwas
Richtiges zu essen und ein Radler, und eine halbe Stunde nicht an diesen
Hellwage zu denken, der sich in die Hosen gepisst und geschissen hatte, und
auch nicht an diesen Mann namens Tinhofer, den er als Nächstes finden musste.
    Nach dem Essen ging er die paar Schritte zur Jesuitenkirche. Dem
Kalender nach war der Aushang neben dem Eingang die Kontaktstelle für Manczic
und ihn. Vom Ersten bis Zehnten des Monats war das in der Wiltener
Stiftskirche. Vom Elften bis Zwanzigsten die Jesuitenkirche. Und an den
restlichen Tagen die Kirche zur Ewigen Anbetung in der Karl-Kapferer-Straße.
Wem wäre es schon aufgefallen, dass zwischen den Gottesdienstordnungen, den
Ankündigungen von Kirchenkonzerten, den erbaulichen Sprüchen und der Werbung
für Radio Maria ein quadratisches Post-it hing, auf dem »Gott ist bei Dir!«
stand oder »Öffne Deine Seele für Gott« oder auch »In IHM bist Du geborgen«. Das Geheimnis lag in der Farbe der Zettel. Ein grünes
Post-it bedeutete für Manczic, dass er am nächsten Tag zu einem Treffen kommen
sollte. Ein rotes bedeutete Gefahr und dass jeglicher Kontakt zu meiden war.
    Auch Manczic hatte die Möglichkeit, sich auf diese Weise mitzuteilen
– nur dass der Mann, den er eingeschaltet hatte, um die Schuldigen am Tod
seiner Tochter zu bestrafen, nicht gar so oft in die vereinbarten Kirchen kam.
Aber es gab auch keine Eile. Er, Manczic, hatte seinen Hass so lange heiß
gehalten, über Jahre und Jahrzehnte, und es hatte genauso lange gedauert, bis
er das Geld beisammenhatte, das diese mörderische Aktion kostete, dass es jetzt
keine Rolle mehr spielte, ob es ein paar Wochen länger dauern würde, ehe den
Mördern seiner Carla ihr gerechtes Schicksal widerfuhr.
    Am Aushang der Jesuitenkirche hing zwischen all den anderen
Verlautbarungen, gewiss in seiner wahren Bedeutung von Gott und der Welt
unbemerkt, ein rotes Post-it: »Unergründlich sind die Wege des Herrn«.
    Es waren nicht viele Leute in der Kirche, und die wenigen nahmen
keine Notiz von dem Mann, der den roten Zettel abnahm und in der Anoraktasche
zerknüllte, der die rechte Hand in einen Weihwasserkessel tauchte und sich
dreimal bekreuzigte, ehe er die Kirche wieder verließ.
    Es gab ihn nicht. Auch nicht hier.
    Er holte Hellwages Wagen aus der Garage und fuhr dorthin, wo Manczic
wohnte. Ein paar Straßen von dessen Wohnung stellte er das Auto in der blauen
Parkzone ab, warf fünfzig Cent in den Parkscheinautomaten und machte sich zu
Fuß auf den Weg.
    Was er sah beziehungsweise ahnte und witterte, war alarmierend. In
der Straße, wo Manczic wohnte, observierten Polizisten in Zivil den Eingang zu
dessen Wohnung. Er hatte schon immer ein zuverlässiges Gespür für die Gefahr
gehabt, die von Polizisten ausging.

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