Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Fahrplänen
herauszufinden, wohin er sich gewandt haben konnte. Er war verschwunden, ohne
eine Nachricht hinterlassen zu haben. Fort, einfach so. Dreimal fuhr er in dem
lang gestreckten Ort auf und ab, einmal sogar auf der Zirlerbergstraße bis zum
geschlossenen Panorama-Restaurant hoch über dem Inntal. Von Manczic keine Spur.
Rauchend stand er auf dem großen, beinahe leeren Parkplatz und
überlegte, was zu tun war. Der Ausblick übers Inntal war ihm egal.
Er hatte einen Auftrag zu erledigen. Doch der Auftraggeber war
verschwunden und mit ihm das Geld, das ihm für die dritte Hinrichtung noch
zustünde.
Er durchdachte die verschiedenen Optionen.
Noch länger im gestohlenen Wagen herumzufahren und Manczic zu
suchen, war die schlechteste davon. Er befürchtete, in eine Kontrolle zu
geraten und wegen dieses Scheiß-Autos erwischt zu werden.
Mit dem Auto über den Brenner und weiter bis nach Triest, das wäre
das Einfachste, dachte er.
Doch er wusste auch, dass das Einfachste nicht immer das Beste und
das Beste nicht immer das Einfachste war.
Warum hatte sich Manczic aus dem Staub gemacht? War irgendetwas
geschehen, das ihn veranlasst hatte, das Quartier Hals über Kopf zu verlassen,
unterzutauchen, sich irgendwo zu verstecken? Hatte er nach zwei Morden genug?
Er konnte sich das nicht vorstellen, schließlich war der Fotograf der Mann, dem
er die Hauptschuld gab.
Ich scheiße auf diesen Tinhofer und auf das Geld, das noch aussteht,
dachte er. Ich verschwinde.
*
Als Pablo nachmittags von der Uni kam, lag Marielle lesend und
nur mit einem Slip bekleidet auf dem Bett. Der CD -Player
spielte einen Reggae-Sound.
Sie schaute kurz am Buch vorbei, sagte: »Hi«, war jedoch im nächsten
Moment schon wieder ins Lesen vertieft.
»Hi«, sagte Pablo, der die Augen nicht von ihr lassen konnte. Jeden
Zentimeter ihres Körpers hatte er in den Jahren, seit sie zusammen waren,
kennengelernt, jede von Marielles Bewegungen war ihm vertraut, und doch
brauchte es nichts mehr als auch nur ihre Brüste zu sehen, um auf der Stelle
erregt zu sein. Pablo krabbelte auf das Bett, wobei er mit einer Hand seinen
Gürtel zu öffnen versuchte, doch Marielle rutschte zur Seite und hielt ihm
gleichzeitig den ausgestreckten Arm entgegen: »Nicht jetzt. Nicht böse sein.
Aber ich bin total kaputt. Wirklich.«
»Wirklich?«
Er beugte sich zu ihren Beinen, küsste ihre Knie, roch das intensive
Duschgel, ließ sich vom Bett fallen und tauchte am Fußende wieder auf.
Mit einem raschen Griff packte er Marielle am Fußgelenk und ließ sie
nicht entweichen. Er begann, an ihren Zehen zu knabbern, die trotz des
Duschgels noch immer ein wenig nach Laufschuh rochen und schmeckten. Das machte
ihm nichts aus. Er ignorierte das nur zu gerne, wusste er doch, dass er damit
Marielle unweigerlich in Fahrt bringen würde. Eine Minute lang an ihren Zehen
zu lecken würde genügen, dass sie sich selbst unterm Slip zu befingern begann –
und es gar nicht mehr erwarten konnte, ihn ganz in sich zu spüren.
Doch heute half selbst das nichts. Zwar sah er aus den Augenwinkeln,
dass sie das Buch, irgendein Bergbuch von irgendeinem Bergsteiger, mit den
aufgeschlagenen Seiten nach unten neben sich legte, dass sie sich für ein paar
Sekunden wohlig in ihrem Kissen streckte, doch er spürte auch, dass ihr Körper
gleich wieder erschlaffte.
»Nicht«, sagte sie leise. »Ich bin wirklich fertig.«
Er schwang sich aufs Bett und legte sich angezogen neben sie.
»Bist du jetzt böse?«, fragte sie.
»Hmm, hmm«, raunzte er verneinend.
»Weißt du«, sagte sie, »ich hab wieder diese blöde Stimmung, die
mich ab und zu befällt. Wo ich mich dann selbst nicht leiden kann.«
»Dagegen ist Bumsen doch die beste Medizin«, sagte Pablo mit
hochgezogenen Augenbrauen, der sich auf den abgewinkelten Arm stützte und ihr
Gesicht musterte.
»Später vielleicht«, sagte Marielle.
Sie setzte sich auf und zog die Beine in den Schneidersitz heran.
»Und dann ist da noch dieser Mörder, hinter dem Hosp und
Schwarzenbacher her sind«, sagte sie. »Er geht mir nicht aus dem Kopf.«
»Ein komisches Gespann«, sagte Pablo. »Wahrscheinlich ist das eh
nicht ganz legal, was die beiden treiben. Nehme nicht an, dass ein
Polizeibeamter wie Hosp seine Informationen so ohne Weiteres an einen Zivilen
weitergeben dürfte.«
»Er war doch selbst ein Bulle.«
»Er war es, das stimmt. Aber er ist keiner mehr. Außer man schenkt
dem Spruch Glauben: einmal Bulle, immer Bulle.«
»Und wenn
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