Glitzerbarbie
fahre mit dem ICE nach Frankfurt, und Mausi holt mich vom Bahnhof ab. Sie ist außer sich. »O Mann, ej, äääächt, wir haben ultramäßig alles versucht, Caro, das musst du uns wirklich glauben, ej. Der Pitbull hat einen ganzen Tag und eine ganze Nacht vor dem Haus von euch gestanden, aber der Marius ist nicht heimgekommen. Und der Gero hat ihm ’ne Mail geschrieben und total oberstnervmäßig oft hintereinander auf den Anrufbeantworter gesprochen. Und die Arabrab hat sogar mit verstellter Stimme angerufen und gesagt, sie hat Dekorationen, und wollte ’nen Termin haben, aber er hat sie gleich erkannt, obwohl sie die Stimme echt hammerhaft megagut verstellt hat!«
Arabrab heißt eigentlich Barbara, ist Mausis Freundin und benutzt wie Mausi Fremdwörter immer falsch. »Das heißt ja auch
Depressionen und nicht Dekorationen, Mausi«, kläre ich sie entnervt auf.
Mausi saust wie eine Gestörte in ihrem Fiat Panda über die Autobahn. »O Mann, ej, ziehst du jetzt aus, Caro?«, fragt sie.
»Keine Ahnung, ich muss erst mal Marius finden«, sage ich müde. »Fahr mich doch bitte heim!«
»Ej Caro, du HAST kein Zuhause mehr, deine Sachen sind doch jetzt supikompletti beim Gero verteilt. Ich hab mir zwei Röcke und so ’ne Jacke von dir ausgeliehen, du hast doch jetzt die verstärkt geilen Designerklamotten. Ist doch nicht schlimm, oder?«
Ich schüttele den Kopf. Sollen sie doch mit dem Zeug machen, was sie wollen. Ich bin eine verlassene Frau Mitte dreißig, die nie wieder jemanden abkriegen wird. Nie wieder, nie. Bald wird man mir meinen Frust ansehen, die Talkshow wird eingestellt werden, und easy-Radio wird mich auch nicht mehr wollen. Ich werde mit herausquellendem Achselhaar an einer Drogeriekasse sitzen und eine Sehnenscheidenentzündung im linken Arm bekommen, weil ich immer die schweren Waschpulverpakete über den Scannerleser ziehen muss. Abends schnauzt mich mein Chef (Ende vierzig, wütend darüber, dass es mit der Karriere nicht so geklappt hat, und unglücklich verheiratet) an, weil die Kasse nicht stimmt. An meinem immer etwas schmutzigen Kittel ist ein Schildchen befestigt: »C. Schatz – ich bin für Sie da!« Und dann muss ich mir anhören, wie unverschämt es sei, dass die Preise für die Slipeinlagen schon wieder gestiegen sind, und kriege die Krise, wenn die Papierrolle für die Kassenbons leer ist und ich nicht weiß, wie man sie wechselt. Abends dann sitze ich in meiner heruntergekommenen Wohnung in Frankfurt/ Höchst, und meine einzige Beschäftigung wird die sein, an der Rauchfarbe, die aus den Schloten der Farbenfabrik kommt, zu erkennen, welches Gift da gerade in die Luft gepufft wird.
Ich habe kein Zuhause mehr! Das ist noch schlimmer als damals, als mir mein Vermieter die Wohnung wegen Eigenbedarf gekündigt hat. Warum bin ich kein Delphin? Delphine haben immer gute Laune und sind NIE unglücklich.
Mausi fährt mich zu Gero. Dort sitzen alle in der Küche. Gero hat Tränen in den Augen. »Caro, Caro! Wie herrlich, dass du da bist!« Er umarmt mich. Ich muss auch gleich heulen. »Das könnt ihr mir nicht antun, Caro. Du weißt, wie sensibel ich bin, so eine Trennung, das verkrafte ich nicht. Und du und Marius, ihr seid mein
Traumpaar
. Ihr
dürft
euch einfach nicht trennen.
Ich weiß nicht, ob ich das überlebe!«
Ach ja? Vielleicht fragt mich mal einer, ob ich die Trennung verkrafte.
Pitbull schaut mich böse an: »Weißt du, was hier seit Tagen los ist? Das ist ja ein Irrenhaus hier! Warum mache ich das eigentlich freiwillig mit?«
Jetzt werde ich wirklich sauer. »Glaubst du, mir macht das Spaß?«, schreie ich Pitbull an. »Ach, danke übrigens für die freundliche Begrüßung. Du bist wirklich ein toller Freund!« Pitbull winkt ab. »Komm, hör auf, hör auf!«, sagt er drohend.
»Du hättest einfach früher aus Berlin herkommen sollen. Marius muss ja annehmen, dass du überhaupt kein Interesse daran hast, die Sache aufzuklären. Der arme Mann!
Der arme Mann!!!
«
»Der arme Mann hätte einfach mal ans Telefon gehen können«, sage ich böse.
»Moment mal, Schatz! Wenn ich dich in mehr als eindeutiger Pose mit freiem Oberkörper und irgendwelchen anderen Schwachmaten im Haus eines Produzenten finden würde, dann würde ich mir auch meinen Teil denken!«, ruft Pitbull. »Und die Geschichte mit dem Kollegen, der von einem Nachbarn einen
vereiterten Zahn gezogen bekommen hat, kannst du jemand anderem erzählen!«
Arabrab, die auch da ist und sich auf Geros Sofa mit
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