Global Warning
bemitleiden, bevor sie das Ganze wieder vergaß.
Und am Ende würde ihre Aktion lediglich dafür sorgen, dass ein Teil dieser Wildnis, die zu den letzten unberührten Gebieten auf dieser Welt zählte, sicher war. Für immer.
Jennas Blick ging zu den mit Eis überzogenen Rohren und Stahlträgern, dann zu dem hell ausgeleuchteten Gelände und schließlich zu der weiten Fläche unter ihr. Manchmal wurde es so schlimm, dass verantwortungsbewusste Menschen handeln mussten, um etwas zu ändern. Man musste nur wissen, wann es so weit war. Und das war das Schwierige daran.
Sie machte die Plastiktüten auf und schüttete ein weißes Pulver in die Fässer. Es verschwand so schnell, dass sie fast so tun konnte, als wäre es gar nicht geschehen. Als hätte es den Inhalt dieser Plastiktüten nie gegeben.
Es war ganz anders, als sie erwartet hatte. Keine Explosion, kein knirschendes Bohrgestänge, keine plötzliche Dunkelheit, weil die Scheinwerfer ausgingen. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte, als sie die leeren Tüten in ihren Rucksack steckte.
»He! Wer zum Teufel sind Sie?«
Jenna wirbelte herum und hielt sich an dem glatten Geländer fest, um nicht zu stürzen. Der Bohrarbeiter rannte auf sie zu, so schnell und mühelos, wie das nur jemand konnte, der sein halbes Leben auf eisüberzogenen Laufstegen verbracht hatte.
Sie lief auf die Treppe zu und fiel und rutschte nach unten, bis sie an ihrem Ende in den Schnee stürzte. Schritte näherten sich, als der Bohrarbeiter die Eisschicht auf den Treppenstufen zum Platzen brachte und ein dumpfes Klirren auslöste, das unglaublich laut schien.
Jenna stolperte über ihre unförmigen Stiefel, rappelte sich wieder auf und rannte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Unter dem gleißend hellen Licht der Scheinwerfer kam sie sich vor wie unter einem der Vergrößerungsgläser, die sie als Kind so fasziniert hatten.
»Stehen bleiben!«
Rechts von ihr öffnete sich die Tür eines Wohnwagens, und sie sah, wie ein Mann, der nur eine schmutzige Jeans trug, einen Blick nach draußen warf und sofort wieder verschwand. Unmittelbar darauf kam er mit einem Paar Stiefel in der Hand wieder zur Tür, sprang auf den Boden und zog sich das Schuhwerk an, während er etwas in die offene Tür brüllte.
Sie hatte sich nicht umgesehen, war aber sicher, dass der Mann, der ihr folgte, sie langsam einholte. In dieser Nacht hatte sie schon so viele kalte, lange Kilometer hinter sich gebracht, dass ihre Beine nicht mehr mitmachen wollten. Aber vielleicht lag es ja gar nicht an ihren Beinen. Vielleicht wollte sie ja erwischt werden.
Mit einem lauten Ächzen hechtete der Mann auf sie zu. Er erwischte sie gerade noch an der Ferse, und sie knallte mit dem Gesicht auf den festgetretenen Schnee.
Jenna rutschte mit dem Mann zusammen über den Schnee, und als sie gegen einen Stapel Reifen prallten, krallte er seine Finger in ihre Hose. Sie drehte sich auf den Rücken und versuchte, nach ihm zu treten. Ihr Stiefel landete in dem dichten Bart des Mannes und traf sein Kinn.
Jenna war nicht stark genug, um einem so großen Mann ernsthaft wehtun zu können, aber immerhin ließ er sie los und hob beide Hände, um den zweiten Fußtritt abzuwehren, mit dem er rechnete. Stattdessen rappelte sie sich auf,
stützte sich an einem rostigen Pistenfahrzeug ab, um Halt unter den Füßen zu finden, und begann wieder zu laufen. Die Schreie, die sie hinter sich hörte, kamen vermutlich von zwei oder drei Männern, doch ihr Gehirn machte daraus einen wütenden Mob, und endlich gehorchten ihr ihre Beine wieder. Sie fand ihr Gleichgewicht wieder und spürte die bitterkalte Luft auf ihrem Gesicht, während sie immer schneller wurde.
Jenna hatte fast schon die Schneebank erreicht, als ein Mann hinter einem Stapel Schrott hervortrat und eine Waffe auf sie richtete. Sie wollte stehen bleiben, war aber so schnell, dass ihr Schwung sie weiterstolpern ließ, so nahe an den Mann heran, dass er mit Sicherheit nicht danebenschießen würde. In diesem Moment wurde ihr klar, dass er die Waffe gar nicht auf sie, sondern hinter sie gerichtet hatte.
»Jonas, nein!«
Sie warf sich auf den Deutschen und stieß seinen Arm weg, in dem Moment, in dem er abdrückte. Auf den lauten Knall der Pistole folgte das Geräusch eines Querschlägers, nicht der dumpfe Schlag, den eine Kugel ihrer Meinung nach machte, wenn sie Fleisch traf.
Als sie einen Blick über die Schulter warf, sah sie, dass der Mann, der sie
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