Global Warning
nur ein paar Tage nach Weihnachten passiert...«
»Es gibt nichts Besseres als einen kostenlosen Ausflug ins sonnige Saudi-Arabien, um auf andere Gedanken zu kommen«, unterbrach ihn Castelli, der offenbar keine Lust hatte, dieses Thema weiter zu vertiefen. »Und wenn ich Ihnen garantiere, dass Sie bei der Flugbegleiterin landen...«
Die Verbindung brach ab. Erin sah auf das Display. Der Akku war leer. Er stopfte das Mobiltelefon zwischen die Kissen zurück und griff nach einem Foto, das auf dem Tisch neben seinen Füßen stand.
Das Bild war in besseren Zeiten aufgenommen worden. Der Strand, auf dem er und Jenna fotografiert worden waren, war nach einem Tankerunglück schwarz geworden, und sie hielt einen ölverschmierten Vögel in den Armen. Ihre Figur war unter einem dicken Overall und einem schmutzigen, viel zu großen Pullover versteckt, und man sah eigentlich nur ihr braun gebranntes Gesicht und ihr dichtes braunes Haar. Warum war ausgerechnet diese Aufnahme sein Lieblingsfoto von ihnen beiden? War es der Blick, mit dem sie den dummen Vogel ansah? War es die Erinnerung daran, dass er damals seinen angeborenen Zynismus abgelegt und sich von ihrer moralischen Überzeugung hatte anstecken lassen?
Erin musste daran denken, wie Jenna auf das Öl reagiert hatte. Sie hatte Ausschlag bekommen und für jeden einzelnen Pickel ein anderes Energieunternehmen verantwortlich gemacht, als hätte es ein Firmenkomplott gegeben, dessen einziges Ziel es war, ihren Teint zu ruinieren.
Er wollte ein Bier. In diesem Moment hätte er sogar ein warmes genommen.
Aber er trank nicht mehr, und auch das hatte er Jenna zu verdanken. Sie war die Einzige gewesen, die sich getraut hatte, ihn völlig zu Recht darauf hinzuweisen, dass er ein psychotischer Säufer war. Warum hatte er dann nach ihrem Tod nicht wieder damit angefangen? Alkohol brachte zwar sämtliche schlechten Seiten in ihm zum
Vorschein, doch manchmal war es einfacher, mit der Wut umzugehen als mit allem anderen.
Erin legte das Foto weg und versank noch etwas tiefer im Sofa, während er die leere Wand vor sich anstarrte. Nach seiner Promotion schien alles klar gewesen zu sein. Er hatte eine neue Art von Umweltschützer werden wollen. Anstatt Transparente zu schwenken und alle davon überzeugen zu wollen, dass ihnen demnächst der Himmel auf den Kopf fiel, hatte er den gesunden Menschenverstand in die Diskussion einbringen wollen, indem er einkalkulierte, dass die Menschen erst dann etwas für ihren Planeten tun würden, wenn dabei etwas ganz Konkretes für sie heraussprang. Vorzugsweise Geld.
Auf den ersten Blick war es eine großartige Idee gewesen - eine Revolution, wie er sich immer gesagt hatte. Aber er hatte zu viele Kompromisse gemacht. In Wahrheit war die Umwelt inzwischen eher ein emotionales und kein wissenschaftliches Problem mehr. Niemand hatte etwas von seinen Gleichungen oder seinen ausgeklügelten Argumenten wissen wollen. Die Menschen wollten einfach nur glauben.
Die ersten Angriffe gegen sich hatte Erin noch mit einem Lachen abgetan. Die Argumente seiner Kritiker hatte er auseinandergenommen und ihnen in den Rachen gestopft. Über die gelegentlichen Morddrohungen hatte er sich amüsiert und sie an eine große Pinnwand gehängt, die wie ein Grabstein aussah. Als sich seine Freunde von ihm abgewandt hatten, war es schon etwas schwieriger geworden. Doch als Jenna ihm den Rücken gekehrt hatte, hatte er den Boden unter den Füßen verloren.
Wie vorherzusehen war, hatte es nicht lange gedauert,
bis Bestürzung und Verzweiflung in Wut umgeschlagen waren, was ihm einen Job in der Ölbranche eingebracht hatte. Er wollte es allen zeigen.
Doch was hatte er ihnen eigentlich gezeigt? Dass er ein unglaublich reicher und tierisch einsamer Siebenunddreißigjähriger werden konnte, der in einem dunklen Haus herumsaß, zusammen mit dem Geist einer Frau, die ihn vor ihrem Tod gehasst hatte?
Erin fragte sich, warum es so schwer war. Wenn sie bei ihrem Tod nicht so zerstritten gewesen wären …
»Dann wärst du wahrscheinlich noch kaputter als jetzt«, sagte er laut. Er zwang sich, aufzustehen und die Glassplitter zusammenzufegen.
2
Mark Beamon trat zu spät auf die Bremse, sodass der Kleinwagen, den er unklugerweise gemietet hatte, über die unbefestigte Straße schleuderte und mit den Vorderrädern in die tiefe Fahrspur geriet. Als der Staub ihn eingeholt hatte und durch die offenen Fenster drang, verzog er das Gesicht und fragte sich, ob er dieses Mal
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