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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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wie unpassend das auch für Maybury in seiner Situation sein mochte: nichts als ein unbedeutender Produktionsfehler der Industrie.
    So lag er da, halb in den Laken und halb im Freien - viel Zeit verstrich. Er klammerte sich an den Gedanken, daß bis jetzt noch nichts wirklich Gefährliches geschehen war. Seit seinen Schultagen - und vor allem in jener Zeit - war ihm immer deutlicher geworden, daß es viele ihm fremde Dinge gab, wovon die meisten sich jedoch am Ende als recht harmlos erwiesen.
    Dann schlich sich Bannard in das dunkle Zimmer zurück. Mayburys Ohren hatten nicht das leiseste Geräusch vernommen, etwa das Knarren einer Treppe oder Dielenplanke, und, viel erstaunlicher noch, auch keinen Deut eines herumgedrehten Schlüssels oder gar eines zurückgeschobenen Riegels. Mayburys Theorie von der Fehlerhaftigkeit der Glühbirne bestätigte sich, als er durch die Tür erneut eine breiter und dann schmaler werdende Lichtsäule vom Flur wahrnahm, die zwar gedämpft, doch nicht gedämpfter als zuvor glomm. So brannten also anderswo im Haus noch Lampen. Bannard, rücksichtsvoll wie zuvor, machte keinen Versuch, das Licht in ihrem Zimmer anzuschalten. Er schloß die Tür äußerst geschickt, und Maybury konnte gerade noch hören, wie er zwischen seine Laken glitt.
    Doch hatte sich unverkennbar etwas verändert: Bei Bannards Rückkehr hatte der dunkle Raum sich mit Parfumduft gefüllt, mit jenem Parfum, das vor langer Zeit, wie es Maybury nunmehr schien, die Dame benutzt hatte, die im Salon so charmant zu ihm gewesen war. Der Geruchssinn vermittelt ja bekanntlich die stärksten Erinnerungsreize.
    Dieses Mal schlief Bannard nicht nur beinah sofort ein, vielmehr schnarchte er auch noch laut und vernehmlich.
    Maybury hätte allen Grund gehabt, sich durch den bisherigen Verlauf der Nacht zumindest irritiert zu fühlen, statt dessen jedoch schlummerte auch er bald ein. Solange Bannard schlief, waren zumindest von ihm keine weiteren Aktionen zu erwarten; und manches Parfum hat, wie schon der gute Jago bemerkte, eine recht einschläfernde Wirkung. Angela wurde kurzfristig aus Mayburys Gedanken verdrängt.
    Dann war er wieder wach. Das Licht brannte erneut, und Maybury mußte annehmen, er sei mutwillig geweckt worden, denn Bannard stand an seinem Bett. Wo und wie nur hatte er eine neue Birne aufgetrieben? Vielleicht hatte er sich ja einen Vorrat in einer der Schubladen angelegt. Diese Erklärung erschien ihm so überzeugend, daß er der Angelegenheit keine weitere Beachtung schenkte.
    Andererseits war es jedoch überaus merkwürdig.
    Als Maybury noch zur Schule ging, war es ihm manchmal schwergefallen, einige Jungen voneinander zu unterscheiden. Es war eine sehr große Schule gewesen, und kleine Jungen sehen sich nun einmal oft ähnlich. Nichtsdestoweniger hatte Maybury es damals und auch danach für klüger gehalten, dieses Unvermögen zu verbergen. Hin und wieder hatte er jemanden angesprochen oder einem Jungen geantwortet, den er für einen ganz anderen gehalten hatte. Glücklicherweise hatte er das nie körperlich ausbaden müssen, doch sein Selbstwertgefühl hatte immens darunter gelitten.
    Und nun war es wieder genau so. War der Mann, der dort stand, wirklich Bannard? Hatte doch Bannard einen unübersehbaren Kranz rötlicher Haare, während die spärlichen Haare dieses Mannes eindeutig grau waren. Auch wirkten sein Ausdruck und sein Verhalten ganz anders, gleichwohl war Maybury sich bewußt, daß er sich darin schon eher täuschen mochte. Der Schlafanzug allerdings schien derselbe zu sein, obwohl das nun wieder nichts bedeuten mußte.
    »Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie vielleicht Lust auf einen kleinen Plausch hätten«, sagte Bannard. Man mußte wohl annehmen, jedenfalls vorläufig, daß es auch wirklich Bannard war. »Ich wollte Sie nicht wecken. Ich wollte mich nur vergewissern.«
    »Ist schon in Ordnung«, antwortete Maybury.
    »Ich habe meinen ersten Schönheitsschlaf hinter mir«, bemerkte Bannard. »Es kann nachts recht einsam werden.« Unter den gegebenen Umständen war diese Bemerkung besonders absurd, doch zweifelsohne gehörte sie fest zu Bannards Sprachschatz.
    »Was waren das für Schreie?« fragte Maybury.
    »Ich habe nichts gehört«, entgegnete ihm Bannard. »Ich glaube, ich habe zu fest geschlafen. Aber ich kann sie mir vorstellen. Wir lernen hier bald, das zu ignorieren. Es gibt bisweilen übrigens auch Schlafwandler.«
    »Ist das der Grund, weshalb sich die Zimmertüren so schwer öffnen

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