Glockengeläut
unnötig komplizieren. Aber wir müssen schließlich auch an Sie denken.«
»Es ist Ihr Zimmer«, sagte Maybury zögernd.
»Also dann«, entschied Bannard. »Wenn Sie es wollen. Machen Sie das Licht aus. Jedenfalls heute nacht.« Maybury tat seinem verletzten Bein keinen Gefallen, als er wieder zu seinem Bett zurücktaumelte. Immerhin gelang es ihm, dorthin zu kommen.
»Ich bin nur für eine Nacht hier«, erklärte er eher der Dunkelheit um ihn als Bannard. »Morgen nacht werden Sie Ihr Zimmer wieder ganz für sich allein haben.«
Bannard gab keine Antwort, und es wollte Maybury erscheinen, als sei er gar nicht mehr da, als sei Bannard kein Wesen, das in der Dunkelheit leben könnte. Maybury nahm von der Frage Abstand, ob man nicht die Vorhänge, die auch hier so lang und schwer wie überall sonst im Haus waren, zurückziehen solle, um ein wenig nächtliches Dämmerlicht von draußen hereinzulassen. An manche Dinge, das fühlte er instinktiv, rührte man hier besser nicht.
Es war vollkommen dunkel. Es war vollkommen still. Und es war bei weitem zu heiß.
Maybury fragte sich, wie spät es sein mochte. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Unglücklicherweise besaß seine Armbanduhr keine Leuchtziffern.
Er bezweifelte allmählich, daß er überhaupt jemals einschlafen würde, aber irgendwie mußte er die Nacht schließlich hinter sich bringen. Für Angela war es bestimmt noch schlimmer - wesentlich schlimmer. Er hatte sich eigentlich nie für einen perfekten Ehemann gehalten, der Reichtum im Überfluß und allseitigen Schutz hätte bieten können. Würde er jedoch ein Bein verlieren, wäre alles unmöglich. Doch sollte die moderne Medizin das eigentlich verhindern können, selbst im schlimmsten Fall würde er wohl noch ein Weilchen länger am Lebenskampf teilnehmen.
So verstohlen wie möglich wand er sich aus den heißen Laken und Decken empor an die Oberfläche des Bettes. Dort lag er wie ein sterbender Fisch und versuchte, sich nicht mehr zu bewegen.
Vor lauter Anspannung bekam er beinahe Krämpfe - keine gute Voraussetzung für einen baldigen Schlummer. Schließlich war ihm, als könne er, weit, weit entfernt am anderen Ende des Raums, Bannards Atemzüge ausmachen. So war Bannard denn immer noch da. Einbildung und Realität waren eben doch zwei Paar Schuhe. Es ließ sich nicht ausmachen, ob Bannard nun schlief oder wachte, doch war es auf einmal wichtig geworden, keine Unterhaltung mehr mit ihm aufkommen zu lassen. Ein halbe Ewigkeit verging.
Jetzt konnte es keinen Zweifel mehr geben, daß Bannard sowohl im Zimmer als auch noch wach war. Er befand sich spürbar auf Wanderschaft. Mayburys Körper erstarrte angesichts der bangen Frage, ob Bannard sich in der undurchdringlichen Dunkelheit des Zimmers auf seine, Mayburys, Ecke zubewegen mochte. Maybury fühlte sich nur halb so groß wie sonst.
Bannard tapste im Dunkeln herum und stieß unablässig irgendwo an. Natürlich war es unfair von Maybury gewesen, ihm das Löschen des Lichts abzuringen, und zweifellos war das jetzt der Preis, den er dafür zahlen mußte.
Bannard schien nun immer mehr mit dem Dunkel zu verschmelzen: Wahrscheinlich hatte er das Licht nicht wieder angemacht, weil er den Schalter nicht erreichen konnte; und doch schien mehr an der Sache dran zu sein. Man hätte vermuten mögen, daß Bannard alles tun würde, um Maybury, seinen Gast für diese eine Nacht, nicht zu behelligen, dessen Nachtruhe nicht zu stören. Maybury konnte seine Bewegungen kaum ausmachen, obwohl sich für ihn die Frage stellte, ob das nun Rücksichtnahme oder Bedrohung bedeutete. Maybury wäre kaum erstaunt gewesen, hätte er im nächsten Moment Bannards Hand um seine Kehle gespürt.
Doch zunächst erreichte Bannard die Tür und öffnete sie äußerst behutsam und ruhig. Maybury war spürbar erleichtert, geschah doch noch nichts außerhalb der natürlichen Ordnung; gleichwohl fühlte Maybury sich nicht sicherer, als er nun verkrampft beobachtete, wie die Säule dämmernden Lichts, die vom Hotelflur hereinfiel, sich langsam verbreiterte, um dann wieder, gleichzeitig mit dem Klicken des Türknaufs, zu verschwinden. Noch bestand wenig Grund zur Beunruhigung, aber Maybury hatte vermutlich nun jenen Grad von Beklemmung erreicht, wo jedwedes Ereignis neue Furcht hervorruft. Darüber hinaus stand angesichts von Bannards Rückkehr bald neuer Nervenkitzel zu erwarten. Maybury erkannte dumpf das Groteske seiner Situation: Warum nur war er dermaßen außer sich, wo Bannard
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