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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Kriegskrone von der Art, wie der eine oder andere von Glorianas Vorfahren sie auf seinen Feldzügen getragen haben mochte. Und an Stelle der Nomaden, die Una bei ihrem ersten Besuch hier gesehen hatte, war jetzt eine unruhige Menge von herausgeputzten Lumpenkerlen und bemalten, hurenhaften Frauen, die diesen kapuzentragenden Herrscher der Enteigneten, welcher der Tod selbst sein mochte und sicherlich die Macht des Todes über dieses stolzierende Gesindel besaß, mit Tabletts aus Gold und Silber aufwarteten. In ihrem gestohlenen Aufputz, den verschlissenen und stockfleckigen Gewändern, die aussahen, als wären sie von Leichen gestohlen, hätten sie selbst Kadaver sein können, zum Leben erweckt von diesem schwarzen Herrscher auf dem Elfenbeinthron. War es Zauberei?
    »Ist dies der Ort, den Ihr sucht, Sir? Sind wir hier sicher?« fragte das junge Mädchen unschuldig und viel zu laut für Unas Gemütsverfassung.
    »Es hat sich verändert.« Una schob sich zwischen das Gesindel, das verstummt war und zu ihnen herstarrte, und das Mädchen.
    Die schwarze Gestalt mit der Kapuze hob den Arm und machte eine Gebärde, die sie zum Nähertreten aufforderte. »Mit wem spreche ich?« verlangte Una zu wissen, ohne sich von der Stelle zu rühren. Sie war jetzt voller Angst.
    Dann schlüpfte das Mädchen an ihr vorbei, rannte durch die zurückweichende Menge zum Thron und die Stufen hinauf, um sich der unheimlichen Gestalt zu Füßen auf die Knie zu werfen und dort zu kauern, als habe es dort Sicherheit gefunden. Una wollte die Tür aufreißen, durch die sie eingetreten war und die jetzt geschlossen war. Die Tür gab nicht nach.
    »Ich bin getäuscht worden«, sagte Una mit unsinniger Ironie. »Von einer kleinen Hexe in die Falle gelockt, wie? Was seid ihr, alle miteinander?«
    Wieder machte die Gestalt auf dem Thron eine Armbewegung, und die Menge drang gegen sie vor. Sie bedrohte die Angreifer mit dem Degen, worauf rostige Klingen aus den Falten der mottenzerfressenen Trachten gezogen wurden. Kranke Hände streckten sich nach ihr aus. Von wässernden Geschwüren und Pockennarben entstellte Gesichter schielten sie an. Sie täuschte und machte einen Ausfall, schnitt einen Armrücken auf, so daß der Getroffene aufheulte und sein Abhäutemesser fallen ließ. Sie parierte mehrere Klingen auf einmal und durchbohrte in plötzlichem Vorspringen einen mageren Schenkel. Dann wurde ihr Arm von einem Dutzend Klingen blockiert, und schmutzige Finger packten sie an allen Teilen ihres Körpers. Sie schlug um sich und schrie, versuchte sich loszureißen. Über die Köpfe ihrer Angreifer hinweg sah sie, wie die Kapuzengestalt dem zu ihren Füßen kauernden Mädchen übers Haar strich, das mit halb entsetztem und halb triumphierendem Ausdruck zusah, wie Una mit Gurten und Stoffstreifen umwickelt und auf den Schultern der Menge zur Plattform getragen wurde. Sie zappelte und protestierte in entsetztem Abscheu, aber es half nichts. Sie wurde vor den Thron geschleppt und auf die unterste Stufe gelegt. Sie verstummte. Nur ihre Augen sprühten wütendes Feuer.
    Die Gestalt stand auf, doch blieben Gesicht und Gliedmaßen in dem weitem, an eine Mönchskutte gemahnenden Gewand verborgen. Nachdem sie sich über Una gebeugt hatte, wandte sie sich zu dem jungen Mädchen, und Una hörte eine Männerstimme sagen: »Gut gemacht. Das ist sie, kein Zweifel.« Es gelang Una, ihre Panik zu überwinden. »Ihr habt mich erwartet?«
    »Wir hofften nur, das ist alles, Milady. Ihr seid die Gräfin von Scaith, die engste Freundin der Königin. Die dunkle Una, die trügerische Wahrheit …«
    »Wahrheit, Sir, ist ein Spiegel, seht weg.« Una verschmähte es jetzt, gegen ihre schmutzigen Fesseln anzukämpfen. Sie war kühl geworden.
    Die Antwort schien ihren Überwinder zu belustigen. »Die beste von allen. Besser noch als Montfallcon. Eine Feindin, die zu fürchten ist. Nun, Madame, wir haben Verwendung für Euch. Es ist wirklich nicht viel, was Ihr zu tun habt. Ihr werdet einen alten Mann beruhigen. Findet Ihr Wahnsinn befremdlich?« »Wie?«
    Seine Frage war nur rhetorisch gewesen. Er gab das Zeichen, sie fortzuschaffen, und die schmutzigen Gestalten in ihren verblichenen Hofgewändern hoben sie wieder auf und trugen sie durch die veränderlichen Schatten des Saales und in einen kurzen Gang. Eine verriegelte Tür wurde geöffnet. Der Gestank von Kot und Urin schlug ihr entgegen, die Ausdünstungen eines Menschen, der seit längerer Zeit eingekerkert war. Sie hörte ein

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