Gloriana
du?«
Er wurde vorsichtig. »Was ich gehört habe. Fragt Montfall
con!« Er riskierte seine eigene Sicherheit. Wenn Montfallcon
vermutete, daß er diese Geheimnisse enthüllt hatte, dann war es
um seine Sicherheit geschehen.
»In meines Vaters Zeit, meinst du?«
Er wich zurück. »Ja.«
Es war, als gürte sie sich mit einer Rüstung, von Augenblick zu Augenblick fester und undurchdringlicher. Er suchte sie mit »Ich liebe Euch« aufzubrechen.
Sie schüttelte den Kopf und ließ den Brief fallen. »Du denkst es. Und ich liebe dich, kleiner Quire. Aber dies hier …« Sie stand vorn Bett auf und wanderte im dunklen Raum auf und ab. »Der Hof bricht auseinander. Die Zahl der Toten nimmt zu. Ich glaubte, daß mein Handeln uns weiteren Tod ersparen würde. Doch nun ist der arme Wallis dahingegangen. Und in unseren
eigenen geheimen Räumen, die unsere Zuflucht vor dem Tod
darstellten, vor der Vergangenheit. Es ist zuviel, Quire!«
»Ihr scheint mir die Schuld zu geben.«
»Wallis tat es.«
»Ja. Weil sein Verstand verwirrt war. Weil seine unglückliche Liebe zu dem leichtfertigen Jungen ihn zur Verzweiflung gebracht hatte. Dieser Brief beweist mir nur, daß es viele gibt, die mich zum Sündenbock machen möchten.«
»Der phönizische Sündenbock trug die Sünden des ganzen Stammes und wurde getötet, um sie freizusetzen. Ich will nicht, daß du getötet wirst, mein Lieber. Ich möchte kein Reich, das eines Sündenbocks bedarf.« »Ihr sagt, was ich denke.«
»Aber ich muß mich der Sicherheit Albions und der Stimmung im Lande annehmen. Ich muß diesen Kriegsvorbereitungen ein Ende machen. Ich muß den Adel zur Einheit zurückführen.«
»Dafür ist es zu spät.« Er sah die drohende Schwächung seiner Macht und änderte die Taktik. »Soll ich also fortgehen? Ihr habt keinen Bedarf mehr für Quires Tröstungen?«
»Ich brauche sie mehr denn je«, sagte sie. »Aber sie lenken mich zu sehr ab.«
»Ihr vertraut mir so wenig, daß ein wirrer, unbestimmt abgefaßter Brief Euch gegen mich wenden kann?«
»Ich weiß es nicht. Es gibt vieles, das zu erwägen ich mich geweigert habe. Ich kenne dich, Quire, weil ich dich liebe, doch habe ich keine Worte für diese Kenntnis. Ich bin verwirrt.«
»Kommt zu Bett. Laßt mich die Verwirrung bannen.« »Nein, ich muß dies mit mir selbst ausmachen.«
Er erkannte, daß der Morgen die Nachricht von Lord Gorius’ Tod und Sir Amadis’ Flucht bringen würde. Vielleicht hatte er sich übernommen, denn er war auch beschuldigt worden, seine Hand bei Sir Viviens Verletzung im Spiel gehabt zu haben. Er lag auf ihrem Bett und überlegte. Es war dringend nötig, daß er sich eine Strategie zurechtlegte. Er mußte sie zurückgewinnen, wenigstens für die wenigen Tage, die noch benötigt wurden, bis sein großer Plan zur vollen Blüte gelangte. Er mußte sie in irgendeiner Art überzeugen. Er mußte Zustimmung vorgeben. So wartete er eine Weile schweigend mit der Hoffnung, daß sie das Bedürfnis verspüren werde, die Pause zu überbrücken. Er kannte ihre Natur. Und schließlich sagte sie bekümmert:
»Ich bin meines Volkes unwürdig. Ich habe keine Intelligenz.
Ich habe aus meinem weisesten Kanzler ein verrücktes Unge
heuer gemacht.«
Er verharrte in seinem Stillschweigen.
»Ich habe meine Pflicht vernachlässigt. Ich habe meine Freunde leiden und zugrunde gehen lassen, während jene gedeihen, die nicht meine Freunde sind. Ich bin niederträchtig, und meine Untertanen wenden sich gegen mich, denn ich verrate ihr Vertrauen, indem ich mein eigenes verliere. In meiner Pein und Furcht suchte ich Hilfe bei Eros – aber Eros belohnt nur diejenigen, welche ihm Tugend und guten Willen bringen. Ich bin töricht gewesen.«
Er stieg mit einer deutlichen Schaustellung von Ungeduld aus
dem Bett. »Das ist bloßes Selbstmitleid.«
»Was?«
»Ihr fahrt fort, Euch für die Verbrechen und Schwächen anderer verantwortlich zu fühlen, Majestät. Wenn Ihr diesem Kurs folgt, werdet Ihr Eure eigene Kraft niemals auf die Probe stellen. Jahrelang wart Ihr von Montfallcon abhängig – jetzt beklagt Ihr den Einfluß, den ich auf Euch gewonnen habe. Ihr müßt Eure eigenen Entscheidungen überlegen und treffen. So werde ich gehen, wie Ihr wünscht.«
Sie hielt ihn zurück. »Vergib mir. Ich bin verwirrt.«
»Ihr fürchtet, in irgendeiner Form Vergeltung an Eueren Feinden zu üben, weil man etwas von Eures Vaters Grausam keit in Euch sehen möchte. Ihr seid nicht grausam – aber es muß eine
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