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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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blaß, und ihre Gedanken waren verwirrt. Sir Orlando Hawes stand an ihrem Bett und nickte Quire zu, als dieser eintrat.
    »Was gibt es? Ist die Königin krank?« Quire ging zu ihr. Er war überrascht, als sie ihn fortwinkte, mühsam konzentriert auf das Schriftstück, das sie las und wieder las.
    »Was ist es?« fragte Quire den anderen. »Eine Kriegserklärung?« Er haßte diese Ungewißheit. Er lebte, um zu wissen. »Was steht in dem Brief?«
    Gloriana zeigte ihm das Blatt. Es war eine Nachricht von Wallis. »Wir fanden ihn in einem der Nebenräume des Serails«, sagte Sir Orlando. Er war bekümmert, aber er triumphierte auch. »Er nahm ein Blatt aus Sir Ernests Buch und entlieh des Dichters Feder und Tintenhorn. Dann, nachdem er dies geschrieben hatte, erstach er sich mit einem Dolch. Durch das Herz. Sauber, mit richtiger Einschätzung.«
    Gloriana begann zu weinen. »Oh, Quire!« rief sie anklagend. Das Schriftstück war an ihn gerichtet.

    An Kapitän Quire: Sir, da ich im Zweifel bin, was Euren Rat anbelangt, habe ich beschlossen, Zweifeln und Schmerzen für immer ein Ende zu machen und diesen Schritt zu tun. Ihr habt mir einen Dienst erwiesen und mich dadurch in großes Elend gebracht, aber die Schuld liegt bei mir. Ich glaube, ich habe jede Schuld zurückgezahlt, die ich bei Euch habe, und mag so mit reinem Gewissen meinen Abschied nehmen. Ich habe das Vertrauen der Königin verraten und kann Euch nicht für Eure Hilfe dabei danken. Aber ich bin bestraft wie so viele andere verraten von Euch und Eurer Kreatur. Ich bleibe, vermutlich bis das Leben ganz aus meinem Körper schwindet, Euer Die ner. Floresten Wallis, Sekretär für öffentliche Verlautbarungen und Kronanwalt von Albion. Durch diese Tat wieder ein treuer Freund der Königin.
    »Ihr seid verloren, Quire«, sagte Sir Orlando. »Dieser arme Kerl hat Euch angeklagt und ist von eigener Hand gestorben, um seinen Fall zu beweisen.« Gloriana schluchzte.

    DAS ZWEIUNDDREISSIGSTE KAPITEL

    In welchem Kapitän Quires Plans durch weitere Unannehmlichkeiten
behindert werden

    »Das beweist nichts«, entgegnete Quire. »Er war verrückt vor Schuld und Verzweiflung. Ich kenne den jungen Phil. Er ist einer von Priests Tänzern und genoß Wallis’ Protektion. Ein leichtfertiger Bursche, der allen schöne Augen macht. Wallis bat mich, ihm zu helfen, und ich tat, was ich konnte. So kam er dahin, mich in seiner Schuld zu glauben. Das ist die Bedeutung des ganzen Briefes. Das und sein vom schlechten Gewissen genährter Glaube, er habe, um seinen Gelüsten zu frönen, die Pflicht vernachlässigt.«
    Sie saßen Seite an Seite auf dem Bett, während sie den Brief immer wieder las. Sie beachtete seine Worte nicht. »Sir Orlando hatte recht. Dies ist der Beweis für eine Infamie, die nicht leicht ihresgleichen findet.« »Nur in Wallis’ Augen.«
    »Er ordnete und archivierte alle Staatsverträge und Dokumente des Reiches. Er konnte der tatarische Spion gewesen sein, und du sein Agent. Oder umgekehrt. Ich erinnere mich an alles, was Montfallcon andeutete …«
    »Es gibt kaum einen Lakaien am Hofe, der diese Informationen nicht gewinnen konnte«, verteidigte er sich. »Ich habe mit keinem Tataren gesprochen, das schwöre ich Euch. Wie könnt Ihr das glauben?«
    Er war empört und bekümmert. Ein Mann, dem er nichts zuleide getan hatte, hatte irrtümlich ihn eines Vergehens beschuldigt, das er nicht begangen hatte.
    »O Quire, ich bin in meinem Leben von so vielen verraten worden und habe mein Vertrauen immer bewahrt.« Sie sah ihn hoffnungslos an. »Ich glaubte an Ritterlichkeit und an Albion, an meine Pflicht und an meinen Dienst am Reich. Du lehrst mich Eigenliebe und sagst, daß es zum Besten des Reiches sei. Ich glaube jedoch, daß du mich abermals zu verraten suchst, in einer neuen Weise. Du zwingst mich, mich selbst zu verraten. Gibt es etwas Grausameres?«
    »So wird es nicht gehen. Ihr seid müde. Und Ihr seid noch
betrunken.«
»Ich bin es nicht.«
    Er wurde verdrießlich. »Ihr beklagt Probleme, die nicht existieren. Ich liebe Euch. Vor noch nicht vier Stunden stimmtet Ihr zu, daß unsere Liebe genug sei, alles andere aufzuwiegen.« »Ich habe Albion den Rücken gekehrt. Ich bin zynisch geworden. Und so viele sind gestorben.«
    »Auch früher sind sie gestorben«, sagte er. »Nur wußtet Ihr es nicht; nur wenige wußten es. Wie viele wurden auf weit schrecklichere Weise als Lady Mary ermordet?«
    »Was sagst du da?« Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Was weißt

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