Gloriana
Wollen wir dann unsere Kräfte vereinigen, Lord Montfallcon?«
»Das Gesindel in den Wänden ist nicht die Ursache der beklagenswerten Auflösungserscheinungen«, sagte Montfallcon geringschätzig. »Niedrige Gelüste sind die Ursache. Schlechtes Blut. Es gibt hier ein Krebsgeschwür, und es muß ausgebrannt werden. Alles Übel muß aus dem Palast hinweggefegt werden. Alles!«
Quire schürzte die Lippen. »Wir könnten jedoch mit den Wänden beginnen, Milord.« Er tat, als ginge er auf Montfallcon ein. »Zuerst die innere Fäulnis, dann die äußere, nicht?« Montfallcon wollte nicht auf ihn hören. »Sie müssen alle sterben«, sagte er zur Königin. Seine Hände zitterten vor Erregung, als er vor dem Thron auf und nieder schritt. »Es kann keine Zweideutigkeit geben. Nicht jetzt. Zeigt Albion, daß Ihr rein seid, indem Ihr alles ausmerzt, was in diesem Palast unrein ist!«
»Aber mein guter Lord Montfallcon«, sagte sie, »das ist, was wir vorschlagen.« »Dann laßt mich Männer aussenden, die es tun.«
»Es ist unser Wille«, sagte sie zögernd. Sie runzelte die Stirn
und blickte hilfesuchend zu Quire, aber er konnte nicht helfen.
Er hob die Schultern.
»Gut.« Montfallcon wandte sich zum Gehen.
»Milord«, sagte sie, »es gibt andere Dinge zu besprechen.
Die Perrotts. Wißt Ihr, wann sie ihre Flotte nach Arabien aus
laufen lassen wollen?«
»In drei Tagen.« Er war fort.
Sie wandte sich zu Quire. »Tom Ffynne, der in Portsmouth bei der Flotte ist, muß benachrichtigt werden. Aber was soll er tun? Die Perrotts angreifen oder sich ihnen anschließen? Tut er das letztere, so werden wir mit der halben Welt im Kriegszustand sein. Greift er die Perrotts an, werden wir Bürgerkrieg im Lande haben. Und Arabiens Strategie ist seltsam. Im Mittelmeer wurde eine gewaltige Flotte gesichtet, aber niemand weiß, was sie beabsichtigt. Will Prinz Sharyar uns drohen: Krieg oder Heirat?«
»Möglicherweise«, sagte Quire. »Wenn wir Krieg vermeiden wollen …«
»Oho«, sie blickte vom Thron zu ihm herab. »Ich soll mich
Hassan ausliefern! Würdest du dem zustimmen, Quire?«
Er schlug den Blick nieder.
»Du darfst gehen«, sagte sie.
»Eh …?«
»Es ist schlechte Diplomatie, dich hier zu haben.« Sie demonstrierte ihre Macht über ihn. »Es erregte Montfallcon und mag andere erregen. Sag mir, denkst du, die Expedition in die Wände werde uns retten?«
»Mehrere könnten es tun. Geleitet von verschiedenen Edlen,
denen wichtige Aufgaben übertragen werden«, sagte er ver
drießlich.
»Dann findest du meine Staatskunst gut?«
»Ich habe nie an ihr gezweifelt.« Er wollte nicht gehen. Auf der anderen Seite mußte er mit Alys und Phil sprechen, mußte Verbindung mit Tinkler aufnehmen, wenn es möglich war. Sie alle mußten gewarnt und instruiert werden. Er stand auf und verneigte sich, machte eine Schau von Würde. »Wann wünscht Eure Majestät meine Rückkehr?«
»Ich denke, wir werden dich heute von der Öffentlichkeit fernhalten. Heute abend werden wir uns treffen. In meinem Schlafgemach.«
»Dann soll ich also der geheime Liebhaber sein, wie?« fragte Quire trocken. »Weil ich ein Bösewicht und Schelm zu sein scheine?«
Sie schüttelte den Kopf. »Weil du ein Schelm bist, schlauer
kleiner Quire. Es ist deine Natur. Ich verstehe das jetzt.«
»Ihr wollt mich strafen?«
»Wieso? Ich liebe dich noch.«
In Verwirrung verließ Quire die Repräsentationsräume, kehrte zurück in die Privatgemächer der Königin und bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen. Noch immer wollte es ihm nicht gelingen, zu verstehen, wie ihre Rollen sich seit Wallis’ Selbstmord in dieser subtilen Art und Weise scheinbar ohne bewußtes Zutun der Beteiligten vertauscht hatten. In der Ver gangenheit hätte er sich niemals in eine solche Position manövrieren lassen. Er mußte augenblicklich auf Mittel und Wege zur Wiederherstellung seiner Autorität sinnen. Als erstes ging er ins Serail und fand dort Phil, den er mitnahm und für seine Torheit bestrafte. Dann befahl er ihm, sofort Alys Finch ausfindig zu machen und ins Gartenlabyrinth zu schicken, wo er sie erwarten wollte. Dann sandte er einen Boten mit versiegelter Nachricht zur Stadt – in der Hoffnung, daß der Mann Tinkler finden werde. Er war enttäuscht und mißmutig, beherrscht von der Notwendigkeit, etwas zu unternehmen, besaß aber noch keine ausreichenden Informationen. Er suchte Dr. Dee auf, der damit beschäftigt war, die Blutung aus einer Wunde in seinem Arm zu stillen, und ihn
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