Gloriana
aber Ihr seid ein großzügiger Teufel.«
»Das sind viele Teufel.« Er zog den Hocker vor die Truhe, ergriff den großen Löffel und begann mit dem Hammelfleisch. »Es ist in Ihrem Interesse.« Er war drahtig, muskulös und gefährlich, wie er so dasaß.
Marjorie Crown wollte noch nicht gehen. »Dann gab es also Streit oben im Walroß? Eine rechte Kaschemme. Schlechtes Publikum.«
»Auch nicht schlechter als hier, und der Schnaps ist besser. Aber es war in den Feldern draußen bei White Hall. Ein Duell, unterbrochen von den Wachsoldaten, die jetzt hinter mir her sind.«
»Es ist ein törichtes Gesetz, das Duelle verbietet. Warum sollten sie einander nicht umbringen, die nutzlosen Tagediebe und Schmutzfinken? Die Königin ist zu weich.«
»Ach was, besser als zu hart.« Seit langem gewohnt, geködert zu werden, nahm Quire eine instinktive Neutralität an. »Und das Gesetz soll dem als Duell verkleideten Mord Einhalt gebieten und dem Rückgang an adeligen Bräutigamen ein Ende machen. Sie erschlugen einander in einem Maß, das nicht mehr zu verantworten war. Die Königin fürchtete bereits um den Bestand der Aristokratie. Keine Adligen – das wäre eine Zu
kunft in Auflösung, im Chaos!« »Oh, Kapitän, Ihr seid mir einer!«
»Das ist so wahr wie dieses Essen schmackhaft ist.«
»Es ist gut, dieses Essen, Ihr Ungeheuer.« Mrs. Marjorie verschränkte die Arme. »Was habt Ihr mit dem Mädchen gemacht?«
Quire lächelte hintergründig, brach ein Stück Brot ab und tauchte es in die Fleischbrühe. Die alte Vettel mochte als Zuträgerin und Helferin in der Sünde von Nutzen sein. »Ich habe ihr Interesse geweckt, ihr Blut in Wallung gebracht und sie für die Zeit angewärmt, da ich vielleicht der Tröstung bedarf.« »Ihr habt sie in Angst und Schrecken versetzt, das arme Kind. Sie hat einen Freund. Starlings Sohn.«
»Freilich ängstigte ich sie. Das ist das beste Mittel, um ihre Phantasie und ihre Neugierde anzuregen, denn sie wird den Wunsch verspüren, sich an mir zu erproben – und dabei die ganze Zeit der Versklavung entgegenbeben. Wie steht es mit dir, Marjorie? Fürchtest du mich nicht?«
»Ich glaube, ich kann mit Euch fertig werden.« Aber in ihrer Stimme war Ungewißheit, und ihre Finger schlossen sich unwillkürlich fester um das Goldstück. Sie kratzte sich nervös am Mundwinkel.
»Freut mich, daß du so denkst«, erwiderte er ohne Ironie.
»Aber Alys Finch ist kein Flittchen für Euresgleichen«, sagte sie in einem neuen, schwächlichen Anlauf. »Sie ist ein anständiges Mädchen.«
»Das ist sie in der Tat. Wie steht es mit der Wache?« Er schnallte sich den Gürtel um das Wams, bog den Oberkörper unbehaglich hin und her und machte sich schließlich daran, sich ein verwaschenes Baumwolltuch um den Hals zu binden. Darauf ließ er sich wieder auf die Bettkante nieder und zog ächzend seine hohen Stiefel an, die er über den Knien verschnürte.
»Nicht näher. Aber sie wird kommen. Viele wissen, daß Ihr
hier Unterschlupf gefunden habt.«
Er leerte das Glas, stellte es auf das Tablett zurück, fand seinen Hut und strich die Federn glatt. »Finch und Starling * ? Da würde sie ein seltsames Ei legen, wenn man ihr die Paarung erlaubte, was?« »Laßt sie ihm. Er ist ein hitziger junger Bursche.«
»Oh, Marjorie, mein Interesse schwindet bereits. Laß die beiden ihr Nest bauen.« Er setzte sich den Hut auf und rückte ihn verwegen in die Stirn. Er schenkte ihr ein schmallippiges Lächeln. »Vielleicht spiele ich später Kuckuck, wenn es Frühling ist.« »Bis dahin werdet Ihr gehenkt sein.«
»Nicht Quire. Außerdem läßt die Königin niemanden hängen. Und sollte die Verordnung auch geändert werden, ich würde überleben, denn ich bin Quire der Listenreiche. Zu viele Taten harren noch meiner, und zu groß ist das Publikum, das von meiner Kunst gefesselt ist und meines Meisterstückes harrt.« Er stieß den langen Degen in die Scheide, steckte den Hirschfänger in den rechten Stiefel und sah sich suchend um. »Einstweilen bin ich Quire der Schatten und brauche einen Umhang.«
Sie zuckte die Achseln und quittierte seine Bemerkung mit einem Lächeln, wie Mütter es für einen mißratenen, aber charmanten Sohn bereithalten. »Unten. Sucht Euch im Hinausgehen einen aus; vielleicht wird der Besitzer es nicht merken.« »Danke.« Er zwickte sie zum Beweis seiner Dankbarkeit in den Arm, und sie sah ihm nach, wie er ins Halbdunkel hinausging. Das Licht vom Treppenhausfenster glomm einen Moment in
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