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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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gebrochenen Gliedmaßen und Rippen liegen geblieben waren, wurden von ihren Kameraden versorgt. Leute mit Laternen liefen hierhin und dorthin, und Quire erspähte den Kapitän im Gespräch mit dem Lotsen, der heftig den Kopf schüttelte und entweder Unwissenheit vorgab oder sie guten Glaubens bekannte (Quire wußte nicht, in welchem Maße Montfallcon den Mann eingeweiht hatte). Er versuchte sich zu vergewissern, ob Polens König noch auf dem Achterdeck war, aber es war zu dunkel. Gefolgt von Tinkler, überkletterte er kühn die letzten Stufen, schwang sich über die Reling und betrat das Deck. Schnell gingen sie zum Achterschiff, wie zwei schwarze Schatten, die von den klatschenden Segeln geworfen wurden, als der Mond diesig hinter dünneren Wolken hervorkam. Obwohl sie etliche Seeleute passierten und man ihnen ein paar verwunderte und neugierige Blicke zuwarf, wurden Quire und Tinkler erst aufgehalten, als sie den Niedergang zum Achterschiff erreichten. Quire hob seine Laterne und sah in das Gesicht eines bewaffneten Musketiers. »Wir sind vom Land gekommen. Um zu helfen. Wir sahen das Schiff stranden.«
    Der Musketier schüttelte den Kopf. Quire lachte zuversichtlich, klopfte dem Mann auf die Schulter und drückte sich mit Tinkler an ihm vorbei, um zum Achterdeck hinaufzueilen. Dort fanden sie den König von Polen zwinkernd und verwirrt an der Reling sitzen, während ein vornehm aussehender Graubart sich besorgt über ihn beugte.
    Quire salutierte und sagte: »Ich wurde hergeschickt, um mich eines Herrn anzunehmen. Spricht jemand unsere Sprache?« Der alte Edelmann, ganz in Schwarz gekleidet, blickte auf. »Ich spreche englisch, Sir«, sagte er stockend und mit starkem Akzent. »Ihr seid von der Küste gekommen? Was ist geschehen? Die Schüsse.« Er zwinkerte immer wieder. Offenbar war
    er kurzsichtig.
    »Euer Schiff ist gestrandet, Sir. Auf Grund gelaufen, Sir. Die Gegend ist voll von tückischen Sandbänken. Ich rate Euch, Sir, ohne Verzug von Bord zu gehen, bevor die Brandung das Schiff in Stücke zerschlägt.« (Dieses letztere war eine Lüge.) »Was sollen wir tun?« Er beugte sich vor und spähte Quire ins Gesicht. »Wer seid Ihr?«
    »Kapitän Fletcher. Küstenwache, Sir. Die Schüsse, die Ihr vernahmt, waren von uns. Wir mußten Strandräuber vertreiben, die sich bei Wracks einfinden wie die Krähen bei einer Leiche. Ihr könnt von Glück sagen, Sir, daß wir in der Nähe waren. Kommt jetzt, wo sind Eure Frauen und Kinder?« »Es sind keine an Bord.«
    »Dieser Passagier sieht wie eine Standesperson aus.« »Er ist es, Sir, bei den Göttern.«
    »Dann wird es sich empfehlen, ihn von Bord zu geleiten, und auch Euch. Wen noch?«
    »Diesen zuerst. Ich bin nicht wichtig. Und es sind Wertsachen an Bord. In der Kajüte. Sie müssen gerettet werden. Es sind Geschenke …«
    »Wertsachen mögen später geborgen werden, Sir, aber nicht Menschenleben«, sagte Quire tadelnd.
    »Diese Wertsachen sind von größter Bedeutung. Helft Seiner – diesem Herrn zum Ufer, ich werde den Schatz holen.« Er redete in polnischer Sprache auf den König ein, der ein ungewisses Lächeln zeigte und Mühe zu haben schien, seine Benommenheit zu überwinden.
    Quire schien mit sich zu Rate zu gehen, dann nickte er. »Sehr wohl, Sir, wenn Ihr meint, daß es so zum Besten sei. Mein Leutnant hier wird mit Euch gehen.« Er bot seinen Arm dem König, der ihn zuerst verständnislos anschaute, dann aber annahm. »Auf die Beine, Euer Gnaden.«
    Der König erhob sich unsicher, auf Quires Arm gestützt, und Quire half ihm zum Niedergang und hinunter. »Vorsichtig
    jetzt, Sir.«
    »Ich bin Euch sehr verbunden, Sire«, sagte der König auf französisch, aber Quire mußte Unwissenheit vortäuschen. »Tut mir leid, Sir, aber ich verstehe kein Wort von dem, was Ihr sagt.«
    Sie erreichten das Mitteldeck und bewegten sich über die abschüssige Ebene zu der Stelle, wo Quire und Tinkler an Bord geklettert waren. Wieder ging ein dumpfes Ächzen und Knarren durch den Schiffsrumpf, der sich erzitternd weiter auf die Seite neigte, und Quire wurde gegen die Reling geworfen. Der Wind pfiff schrill durch die Wanten. Dunkle Wolken hatte sich wieder vor den Mond geschoben. Die Brandung brach sich mit wütenden Schlägen am Achterschiff und ließ den Rumpf mit jedem Anprall aufs neue erzittern, das gischtend auslaufende Wasser spritzte und gurgelte um das Wrack. Quire taumelte zurück, faßte den gleichfalls gefallenen König unter den Achseln und führte den

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