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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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nach bestem Vermögen würde behelfen müssen, bis die Nachricht vom Stranden Rye erreichte und Hilfe ausgesandt wurde. Bis dahin würde der Tag angebrochen und die gemieteten Raufbolde ein gutes Stück auf dem Wege nach London sein, während Tinkler am vereinbarten Treffpunkt zu ihm stoßen und vielleicht, wenn Fortuna ihnen wohlgesonnen war, den
    Schatz des Königs von Polen mitbringen würde.
    Als sie auf den hellen Dünensaum zugaloppierten, stieß Quire eine Serie scharfer, bellender Laute aus, ein Geräusch zwischen dem japsenden Kläffen eines Wolfes und dem rauhen Schrei des Raben, die O’Bryan ein wenig nervös machten, selbst nachdem ihm aufgegangen war, daß Quire lachte.

    Einige Stunden später sichtete ein beschmutzter und ramponierter Tinkler, dessen gelb vorstehende Vorderzähne im Gleichmaß mit den anderen, weniger gut sichtbaren Zähnen klapperten, die Windmühle, wo sie zusammentreffen wollten. Sein Gesicht war blaugefroren und seine Augen glasig, wie von Eis bedeckt. Zwischen Schenkel und Sattelknopf hatte er ein Bündel geklemmt. Die Windmühle erhob sich als schwarze Silhouette vor dem ersten Licht des Morgens, und ihre alten, vielfach geflickten Segel und Stangen ächzten und knarrten unter der Gewalt des Windes, der die hölzerne Mechanik zu ungewohnt schneller Bewegung antrieb. Das Pferd patschte durch die sumpfige Niederung; bei jedem Schritt brachen die Hufe durch das dünne Eis und wühlten sich in halbgefrorenen Schlamm, Schnee und aufquellendes Sumpfwasser. Die Landschaft war fast ohne Farbe, und es schien Tinkler, daß alles, was nicht weiß war, schwarz war. Selbst Quires vornübergekauerte Gestalt, die vor der Mühle an einem kleinen Feuer saß, war für Tinklers Auge schwarz. Er rief ihn an und erschrak selbst, als seine Stimme mit unerwarteter Lautstärke von seinen Lippen brach und ein paar weiße Gänse, die zwischen dem spärlichen Riedgas der verschneiten Sumpfniederung nach Nahrung gesucht hatten, in den fahlen Himmel aufflattern ließ. »He, Quire!«
    Quire blickte auf und winkte munter. Er hatte ein totes, schon gerupftes Federvieh auf den Knien.
    Tinkler ritt im Schritt über die kleine, morsche Brücke, die einen verschilften Bachlauf querte. »Wo ist unser Schützling?«
    »Drinnen. Er ist gebunden und schläft.« »Und O’Bryan?«
    Quire deutete mit dem Messer, das er zum Ausnehmen der Gans gebraucht hatte. Der Hügel, auf dem er saß, regte sich und stöhnte. Gequälte, blutunterlaufene Augen spähten aus dem Bärenfell. »Indem er für die Verständigung mit unserem Schützling sorgte, erfüllte er seinen ersten Zweck. Nun dient er einem zweiten. Einem, den er selbst vorschlug. In den letzten zwei Stunden, während ich das Feuer allmählich in Gang brachte, hat er mich angenehm warm gehalten.«
    O’Bryans Mund öffnete sich, und er stöhnte wieder. Blut rann ihm zwischen den zusammengebissenen Zähnen heraus und über die Lippen. Quire nahm bedachtsam eine Handvoll Gänsefedern vom Boden auf und stopfte sie fest zwischen Lippen und Zähne O’Bryans, damit das Blut nicht auf den Bärenfellmantel rinne und ihn beschmutze. O’Bryan wimmerte und blickte hilfesuchend zu Tinkler, aber Tinkler schaute weg und ging zur Mühle. Als er die Stufen hinaufstieg und zurückblickte, sah er die drei sorgfältig placierten Dolche, die in O’Bryans zuckendem Rücken staken.
    »Was nun?« rief er zur Tür hinaus, sein Blick auf dem König von Polen, der im alten Stroh schnarchte. Er setzte sich auf einen zerbrochenen Mühlstein und begann das Bündel zu öffnen.
    »Montfallcon wird vorgeben, er habe Männer ausgeschickt. Hogge wird die Lösegeldforderung einem der polnischen Kaufleute in London zustellen und deutlichmachen, daß wir keine Ahnung haben, wer unser Gefangener ist; und schließlich, nach einem großen Aufhebens, wird unser Opfer gefunden werden, nicht allzu arg mitgenommen und nur um einige Wertsachen erleichtert.« Quire sprach über die Schulter zu Tinkler, der eine kleine Goldstatuette in den trüben Lichtstrahl hielt, der durch eine Lücke im Dach der Windmühle einfiel. »Nur einige wenige, Tink. Fängt man uns mit zu vielen, würden wir diesmal ganz gewiß hängen, selbst wenn es eine Änderung des Gesetzes notwendig machen sollte. Montfallcon könnte sich nicht leisten, uns zu retten. Polen würde unser Leben verlangen. Nein, der Schatz wird mit seinem Eigentümer gerettet werden – oder doch das meiste davon.«
    Tinkler legte die Gegenstände zurück. Er

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