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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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schnürte das Bündel zu und legte es in eine Ecke. »Und wann wird das sein?« »Kurz vor dem Dreikönigsabend, Tink. Rechtzeitig zum Hofmaskenball, wenn so viele Würdenträger und ausländische Potentaten anwesend sein werden, daß unser armer König unter ihnen ganz verloren sein wird und all seine wohlgesetzten Worte, Anträge und Gebärden überhaupt nicht wird anbringen können. Er wird sich und die Briganten für den Fehlschlag seiner Pläne verantwortlich machen können, nicht aber Albion oder Gloriana. Und das ist der Sinn des Ganzen.«
    Tinkler hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Er stieg über O’Bryans Kopf und sah Quire bei der Arbeit zu. »Wie lang wird die Gans braten müssen, ehe sie gar ist, hm?«
    Und er beugte sich über Quires Schulter, um das fleischige Tier zu befühlen.

    DAS ACHTE KAPITEL

    In welchem die verrückte Frau in den Wänden etliches vom regen
    Kommen und Gehen im Palast beobachtet

    Flach auf dem Bauche liegend, die Augen an dem holzgeschnitzten Gitter, das unmittelbar gegenüber jenem war, das Jephraim Tallow in der Neujahrsnacht als Einstieg benutzt hatte, starrte die verrückte Frau in den Saal hinunter, in den Ohren die Schönheit der Madrigale, mit denen der Chor die tafelnden Adligen unterhielt. Sie war ausgehungert, wie sie es gewöhnlich war, aber sie spürte den Hunger kaum. Dünne Finger hielten das Gitterwerk umfaßt, fuhren gelegentlich durch das wirre rotbraune Haar oder kratzten die grindige Haut ihres langen Körpers, während Parasiten ungestört ihre Lumpen durchwimmelten. Ein seliges Lächeln verklärte ihr schmutziges Gesicht – die Musik und die Schönheit der Tafelnden erfüllten sie mit einer solchen Wonne, daß sie beinahe weinte. Schon hatten die Diener Gebäck und Zuckerwerk aufgetragen, den Wein abgeräumt und damit das Ende der Mahlzeit angekündigt. Wie jemand, der eine besonders hochgeschätzte Theateraufführung sieht, wünschte sie sich, daß die Gäste blieben, doch verließen sie einer nach dem anderen ihre Plätze, verabschiedeten sich von dem grauhaarigen Herrn am Kopf der Tafel und gingen ihren Geschäften nach.
    Zuletzt blieben nur noch zwei übrig, auf welche die verrückte Frau ihre ganze Aufmerksamkeit nun konzentrierte. Der Botschafter Arabiens und der alte Herr am Kopfende der Tafel, der ihr größter Held war und dessen Namen sie kannte, wie sie die meisten Menschen am Hofe mit Namen kannte.
    »Montfallcon«, wisperte sie mit rauher Stimme. »Der getreue Berater der Königin. Ihre rechte Hand. Der unbestechliche,
    kluge Montfallcon!«
    Der Chorgesang hatte geendet, und die Sänger verließen den Saal, so daß die verrückte Frau hören konnte, was zwischen Montfallcon und dem stolzen braunen Mann in weißer Seide und mit goldumsponnenen Kordeln als Kopfschmuck gesprochen wurde.
    »… diese Heirat bewirken würde? Sicherheit für unsere Lander und für alle Zeit. Welch eine Allianz!« hörte sie den Araber sagen.
    Montfallcon lächelte höflich. »Wir sind bereits Verbündete, Arabien und Albion.«
    »Ihr vergeßt, daß Arabien in seiner Expansion gehemmt ist, weil Albion es beschützt. Unser Ehrgeiz ist unerfüllt, wir sind wie Kinder, die herangewachsen sind und deren Eltern das nicht erkennen.«
    Montfallcon lachte. »Kommt, Prinz Sharyar, Ihr könnt weder meine Intelligenz falsch beurteilen noch erwarten, daß ich die Eurige falsch beurteile. Arabien steht unter Albions Schutz, weil es nicht die Hilfsmittel hat, um sich gegen das Tatarenreich zu verteidigen. Es hat keine Allianz mit Polen, weil Polen seine Furcht vor den Tataren teilt, aber hofft, daß die Tataren Polen in Ruhe lassen und sich auf Arabien stürzen werden, sobald dieses Schwäche zeigt. Auf der anderen Seite …« »Mein Zielpunkt ist, daß Arabien nicht länger schwach ist, Milord.«
    »Selbstverständlich ist es das nicht, hat es doch Albions Hilfe.« »Und das Tatarenreich könnte erobert werden.«
    »Ihre Majestät wird nicht Krieg führen, solange die Sicherheit des Reiches nicht bedroht ist – und die Bedrohung erkennbar ist. Wir kämpfen nur, wenn wir angegriffen werden. Die Tataren wissen dies und greifen daher nicht an. Die Königin hofft durch diese Politik allmählich Gewohnheiten zu schaffen, welche die Nationen der Welt daran hindern werden, in der Verfolgung ihrer eigennützigen Ziele kurzerhand Krieg zu führen. Sie stellt sich einen großen Rat vor, eine Liga …« »Euer Tonfall verrät Euch«, sagte Prinz Sharyar lächelnd. »Ihr glaubt so wenig

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