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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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er verloren – und jeder hat eine klare Vorstellung davon, wo er steht, bis die Dinge wieder undurchsichtig werden. Wir wissen, daß Arabien nichts lieber wäre, als gegen uns Krieg zu führen, aber Albion hindert es daran, und so büßt Arabien rasch seine Stärke ein und versinkt in Degeneration und frustrierter Verweichlichung, weil seine Energien nicht in der naturgemäßen Weise eingesetzt werden können.«
    Sie erreichten die Tür zu Yashi Akuyas Wohnung. »Wie erfrischend ist es«, sagte sie, »solch unumwundener und gesun der Sprache zuzuhören. Würdet Ihr es selbstsüchtig finden, wenn ich Euch zum Tee einlade, damit ich Euren Gedanken ein wenig länger lauschen kann?«
    »Keineswegs«, erwiderte der Khan. »Euer Interesse ist sehr schmeichelhaft für mich.«
    Sie trat zur Seite, um ihn in einen Raum einzulassen, der, wie auch ihre anderen Gemächer, vorwiegend in Schwarz und Weiß gehalten war. »Und Ihr müßt mir mehr über die Ermordung des Arabers erzählen.« Sie klatschte in die Hände, damit ihre Bediensteten kämen und Oubacha Khan aus seinem langen Mantel hülfen. »Sagtet Ihr, Montfallcon habe es getan?« »Seine Kreatur.«

    DAS ELFTE KAPITEL

    In welchem Kapitän Quire eine neue Schülerin zu Josias Priest,
dem Tanzmeister, bringt

    In der Enge einer geschlossenen Sänfte, die von vier nicht allzu gesund aussehenden, immer wieder auf dem vom Regen schlüpfrigen Katzenkopfpflaster ausgleitenden und ungeniert fluchenden Lakaien getragen wurde, saß Kapitän Quire und betrachtete mit beinahe zärtlichem Blick Alys Finch, die ihm mit geradem Rücken, gefalteten Händen und geschlossenen Knien gegenübersaß, schicklich gekleidet in Mieder, Überrock und Unterröcken, mit einer gestärkten Halskrause wie einer Aurora um den Hals, die ihre unnatürliche Röte hervorhob. Sie war so sorgfältig kostümiert wie ihr ehemaliger Verlobter und von dem Dämon, der sie beide bezwungen hatte, ebenso sorgfältig unterwiesen worden.
    »Wie rasch du in der Gesellschaft aufsteigst, Alys«, sagte er anerkennend. »Ich werde bald stolz auf dich sein.«
    »Danke, Sir«, sagte sie mit kleiner, mechanisch klingender Stimme.
    »Du hattest von Haus aus gute Manieren, und ich brauchte auf diesem Gebiet wenig zu tun. Ich verbesserte deinen Geschmack in Fragen der Kleidung, lehrte dich ordentlich essen und sprechen und so weiter, hatte aber nicht die Zeit, dich das Wichtigste zu lehren, nämlich imstande zu sein, nach Belieben zu lachen, zu lächeln, ungezwungen Konversation zu treiben und nach Belieben scherzhafte und witzige Bemerkungen zu machen, ohne sich auch nur für einen Augenblick zu echter und gefährlicher Fröhlichkeit hinreißen zu lassen. Ich fühle mich verantwortlich, Alys, als wäre ich dein Vater (und ich forme dich bewußter und sorgsamer, als ein natürlicher Vater
    es tun würde), und ich kann nicht zulassen, daß du nur auf dich
selbst und deinen Meister baust. Und zu diesem Zweck besu
chen wir heute Josias Priest.«
»Ja, Sir.«
    »Du glaubtest dich selbst schwach und Phil so stark. Ich bewies dir das Gegenteil. Du bist diejenige, die stark ist, Alys, und die bald noch stärker sein wird. Eine fähige Adjutantin für Kapitän Quire in seinem beständigen Kampf gegen die Schwächlinge der Welt. Denn Quire ist Mutter Naturs Dreschmeister.« In seinen schwarzen Augen blitzte Selbstironie, die das Mädchen, seit bald zwei Monaten hypnotisiert, weder erkennen noch verstehen konnte. »Und deshalb habe ich deine Stärke und Intelligenz niemals beleidigt, indem ich Liebe von dir verlangte. Statt dessen habe ich disziplinierten Gehorsam verlangt und dir dafür Macht und Sicherheit gegeben. Denn wenige Menschen verstehen, was Quire versteht – das Ausmaß der körperlichen Furcht einer Frau. Diese Furcht, die auch in dir ist, habe ich zuerst ausgenutzt. Und nun biete ich dir Freiheit von dieser Furcht. Ich habe dich ausgebildet, wie ein Unteroffizier seine Soldaten ausbildet. Ich habe gesagt: ›Vertraue dich mir an mit deinem Leben, deiner Seele, deiner Freiheit – und ich werde dich beschützen und lehren, wie du dich selbst schützen kannst.‹« Er streckte seine grausame, muskulöse Hand zu ihr aus und hob ihr Kinn. »Fühlst du dich sicher und stark, Alys?«
    Ihre grauen Augen blickten ruhig, aber ohne sonderliche Lebhaftigkeit. »Ja, Sir.«
    Die Sänfte schwankte von einer Seite zur anderen und kam mit einem Stoß auf dem Pflaster zur Ruhe. Quire öffnete die Tür und stieg aus. Sie standen vor den

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