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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Toren eines von hohen Mauern umgebenen Hofes. Jenseits davon, eingerahmt von Sträuchern und Bäumen, war die weiße Fassade eines zweistöckigen Hauses, wie es einem wohlhabenden Kaufmann gehören mochte.
    Quire wies Alys Finch an, in der Sänfte sitzen zu bleiben, rüttelte am Tor und rief mit lauter Stimme: »He da, Priest! Seid Ihr da, Mann?«
    Hunde bellten. Zwei Laternen erschienen auf der linken Seite des Hauses. Sie wurden von uniformierten Lakaien mittleren Alters getragen. »Priest! Ich bin es, Quire!«
    Bevor die Lakaien das Tor erreichten, war eine Tür im Haus aufgesprungen, und mehr Licht fiel über den Hof. Eine magere Silhouette stand in der Öffnung und hob die Hand. »Laß Er den Herrn ein, Franklin.«
    Quire ging zurück zur Sänfte und half Alys Finch, deren natürliche Anmut sich in seinen Augen vervollkommnet hatte und die nun aus Berechnung statt aus Instinkt spröde und ehrbar war, auf das Katzenkopfpflaster hinaus. Er gab den Trägern das Doppelte der Gebühr, die sie verlangten, ignorierte ihre aufrichtige Dankbarkeit und führte sein Mädchen durch das Tor. Als es von den Lakaien hinter ihm geschlossen wurde, rief er: »Meister Priest, ich bringe Euch eine junge Dame zur Ausbildung in gesellschaftlichem Umgang, gesittetem Betragen und Tanz, denn sie soll lernen, sich am Hofe zu bewegen.« Josias Priest, der Tanzmeister, blieb auf der Schwelle stehen und wartete. Unter seiner samtenen Abendkappe schaute strähniges, mausfarbenes Haar hervor. Er hatte einen unsteten Blick und schlaffe, offenhängende Lippen, die seiner Miene, obwohl er die Lebensmitte längst überschritten hatte, etwas vom gelangweilt-verdrießlichen Ausdruck eines verwöhnten Jugendlichen verlieh. Seine dürre, lange Gestalt, einen Kopf größer als Quire, war in einen langen Hausmantel aus dem gleichen dunklen Samt wie die Kappe gehüllt. Er hielt ein Tischmesser in der Rechten, doch war seine Haltung ohne jede Aggression. »Es ist spät, Kapitän Quire«, sagte er, als seine Besucher eintraten.
    »Ihr braucht heute abend nicht mit Eurer Arbeit zu beginnen«, versetzte Quire barsch. Josias Priests wäßrige Augen blickten alarmiert von Quire zu dem Mädchen und zurück. »Sie wird hierbleiben, so daß sie rasch und gründlich ausgebildet werden kann.«
    »Ich beherberge keine Schüler in meinem Haus, Kapitän …« Quire ging voraus in Priests Speisezimmer. Hier war ein großer Tisch gedeckt, aber das Essen, das darauf stand, war so kärglich, daß es jeden der Abfallsammler, die bei Niedrigwasser die Flußufer und Hafenbecken nach Brauchbarem absuchten, beschämt hätte. Quire blickte bekümmert auf die Käserinde, das Schinkenfett und die Brotkruste. »Sie erwartet besseres Essen als dies hier. Sie ist mein besonderer Schützling und meiner Fürsorge anvertraut. Ich wünsche, daß sie ordentlich ernährt wird, mit allen Arten von Speisen.« Er zog einen Stuhl für sie heraus, und Alys setzte sich, den Blick auf die Oberfläche des Tisches gesenkt. »Wenn Ihr mit dieser Erfolg habt, so kann ich Euch einen weiteren Schützling für Eure Truppe zuführen.«
    »Es ist keine gute Politik, Kapitän, junge Damen im Hause zu beherbergen. Zum einen gibt es Anlaß zu Gerüchten. Es schafft auch unerwünschte Eifersüchteleien unter den anderen Schülern. Zum anderen besteht immer die Gefahr, daß die junge Person sich durch das Zusammenleben unter einem Dach zu … äh … Vorstellungen betören läßt …«
    »Meinst du, daß du in Gefahr bist, dich in Meister Priest zu
verlieben, Alys?«
»Nein, Sir.«
    »Da habt ihr es! Ihr seid sicher, Priest. Mit solchen Garantien, wie könnt Ihr Euch da noch weigern? Ich möchte, daß sie alles bekommt – und Ihr müßt Euer Bestes geben. Ihr seid gut in Eurem Beruf. Ihr müßt sie lehren, richtig zu gehen, zu tanzen, unterhaltende Konversation zu machen. Vor allem müßt Ihr sie lehren, wie man schmeichelt. Ihr wißt, wie man schmeichelt, nicht wahr, Priest? Natürlich wißt Ihr es, es ist Eure größte Geschicklichkeit – nicht genug damit, es ist Eure Philo sophie! Also gut: gutes Benehmen, sicheres Auftreten in der Gesellschaft, Tanzen und Schmeichelei. Ich werde von Zeit zu Zeit vorbeischauen, um zu sehen, welche Fortschritte Ihr macht. Und ich erwarte rasche und beträchtliche Fortschritte, Priest.« »Kapitän Quire! Ich habe keinen Raum!«
    »Ihr habt ein großes Haus und mehrere Diener. Entlaßt einen von ihnen, wenn Ihr müßt. Es würde eine wohltätige Handlung sein, wenn ich

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