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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Arabien wünscht zu erhalten, was wir erlangt haben, das steht außer Frage, aber der Großkalif würde Albion regieren, und somit wäre das Unheil unausweichlich. Er ist zu wenig lenkbar, zu stolz, zu männlich … Wir überleben durch die Königin, ihren Charakter, ihre Weiblichkeit … Sie teilt unseren Menschen ihren eigenen Idealismus mit und fördert jene Eigenschaften, die das Beste von Albion sind. Mehr noch, sie beeinflußt die Welt. Doch wie es Menschen gibt, welche die Sonne vom Himmel ziehen würden, damit sie allein ihnen gehöre, so gibt es manche, die in Gloriana vor allem die Erfüllung ihrer persönlichen Wünsche sehen: unfähig zu erkennen, daß sie ebenso ein Geschöpf Albions ist wie die Schöpferin dieses Albion, und unfähig zu begreifen, daß sie, wenn sie die Wurzel zerstören, auch die Blüte vernichten.«
    »Ich frage mich, ob es in der weiten Welt keinen Fürsten oder Prinzen gibt«, sagte Ingleborough, »der sich Albion widmen würde, um dadurch vielleicht Gloriana zu gewinnen?« »Wir haben einen solchen Mann noch nicht getroffen.« Montfallcon wandte sich jäh um, weil er glaubte, hinter den Statuen die Bewegung einer hohen Gestalt gesehen zu haben. Er lächelte zu sich selbst. »Und keinen, der Adel des Geistes mit den Gaben vereint, die Königin zu erfüllen. Der große Xiombarg ist mein Zeuge, wir haben genug versucht, Lisuarte. Bald, so denke ich, wird sie sich abfinden müssen …« »Ich fürchte, daß eine resignierende Königin auch eine launenhafte und gleichgültige Königin sein möchte, denn ich denke immer daran, daß Albion und seine Königin wechselseitig voneinander abhängig sind. Sollte sie jemals die Hoffnung verlieren, dann, so fürchte ich, schwindet auch Albions Hoff nung.« Ingleborough führte Patch an der Hand aus dem alten Thronsaal. Montfallcon zögerte einen Augenblick lang, bevor er ihnen folgte.
    Als sie gingen, wurde hinter dem Thron ein Rascheln hörbar, und vorsichtig erhob sich die zerlumpte, ungekämmte Gestalt der verrückten Frau und stand auf den Zehenspitzen, eine Hand auf der schwarzen Armlehne des Thronsessels, sprungbereit, falls sie zurückkehren sollten. Dann sprang sie nicht ohne Anmut die Stufen hinunter, vollführte einen Knicks vor dem leeren Thron und verschwand in die Schatten des Halbdunkels, wie Nebel sich mit Rauch vermischt.
    Jephraim Tallow, der ihr nachgegangen war, kam aus seinem Versteck zum Vorschein und stand still, die Katze auf der Schulter, um auszumachen, wohin sie verschwunden war. Er hatte die Verrückte verloren.
    »Hm, Tom, sie hat uns in die Irre geführt. Ich hatte auf eine Küche oder Speisekammer gehofft. Es scheint, wir haben ihre Möglichkeiten als Führerin in diesem Labyrinth erschöpft und müssen einen anderen der alten Bewohner finden, wenn wir mehr Geheimnisse entdecken wollen.«
    Auf lautlosen Sohlen durchschritt er den Thronsaal zu einer schmalen steinernen Treppe, die an der Wand hinauf zu einer Galerie führte. Er stieg hinauf, fand einen glockenförmigen Torbogen und ging hindurch, überquerte eine schmale Brücke mit einer Brustwehr, die höher war als sein Kopf. Über ihm war Dunkelheit, unten waren Echos, vielleicht das Geräusch von Wasser. Er ging rasch weiter, stieß auf eine weitere Treppe und öffnete vorsichtig eine Tür, die ihn auf einen kleinen, in einen Turm eingelassenen Balkon hinausführte, und er stand in Tageslicht. Fröstelnd blickte er hinab zu den zwei Gestalten tief unter ihm im Garten, bevor er ins Innere zurückschlüpfte.

    Oubacha Khan, Sohn des Großkhans der Westlichen Horde und Gesandter der Tatarei am Hofe von Gloriana I, gehüllt in einen pelzbesetzten, knöchellangen Ledermantel, hohe Stiefel aus Pferdefell und eine mit Wolle gefütterte Kappe aus vergoldeten Kupferplättchen, schritt durch die winterlich kahlen Gärten, begleitet von der Hochgeborenen Yashi Akuya, die durch ihren Kimono gezwungen war, für jeden seiner Schritte mehrere kleine zu machen, den mageren Tataren aber insgeheim liebte und darum alle Unbequemlichkeit (einschließlich der Kälte) mit freudigem Lächeln ertrug. Die Tatarei und Nippon waren lange Zeit traditionell verfeindet gewesen, aber hier an diesem fernen und fremden Königshof erwiesen sich die Gemeinsamkeiten von Herkunft und Denkart als stärker, und beide fanden die Gesellschaft des (oder der) anderen tröstlich und beglückend.
    In der Gewißheit, daß niemand sie in diesem entlegenen und vergessenen Teil der Gärten beobachtete, sprachen

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