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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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es recht bedenke.« Quire rückte den breitkrempigen Hut auf seinem dicken schwarzen Haar zurecht und bewunderte sich in einem von Meister Priests zahlreichen Spiegeln. »Sei ein gutes Mädchen, Alys. Ich werde auf dich achtgeben.« »Ja, Sir.«
    »Ich werde Kleider schicken lassen«, sagte Quire zu dem Tanzmeister.
    In einem halbherzigen Versuch, Widerstand zu leisten, warf Priest das Messer mit Geklapper auf den Tisch. »Unterricht? Unterbringung und Verpflegung? Wie wird sie bezahlen?« »Ich werde bezahlen, Meister Priest.« »Wieviel?«
    »In meiner üblichen Währung, soweit es Euch betrifft. Ich werde Euch mit sechs Monaten Stillschweigen bezahlen.« Meister Priest setzte sich an den Tisch und stieß den Teller fort. »Gut. Aber zu welchem Zweck wollt Ihr sie ausbilden lassen?«
    Quire hielt an der Tür inne und kratzte sich das Kinn. Er schüttelte den Kopf und lächelte. »Zu keinem, bisher. Es mag nie einen geben. Meine Handlungen, Meister Priest, und das solltet Ihr mittlerweile wissen, werden häufig um ihrer selbst willen ausgeführt.« »Ich kann Euch nicht verstehen, Quire.«
    »Ich bin ein Künstler, und Ihr, Meister Priest, seid ein Handelsmann. Für Euch muß jede Handlung zu einem greifbaren Profit in Bargeld führen, wie klein und mittelbar er im Einzelfall auch sein mag. Ihr führt Buch. Ich schaffe Ereignisse. Die Welt bietet Raum für uns beide. Tut, wie ich Euch sage, und versucht nicht, mich zu verstehen. Bewahrt beides gut in Eurem Sinn, und Ihr werdet ein glücklicherer Priest sein, Josias.« Ein fester, bedeutsamer Blick in Alys’ Augen, und Quire war fort.

    DAS ZWÖLFTE KAPITEL

    Königin Gloriana bewirtet Gäste zum Abendessen und betrachtet ihren
    Zustand gemeinsam mit jenem Albions

    Die lange Tafel schien Gloriana einem weißen Pfad zu ähneln, den sie wie in einem Alptraum entlanglaufen mußte, mit Fallen in regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten und einem Gewirr von Hindernissen, um ihr Vorankommen zu behindern; jedes Gedeck einen übelwollenden Geist verkörpernd. Sie ging von ihrer gewohnten Vorsicht ab und trank mehr Wein als sonst, während sie vorgab, ihren Gästen zur Linken und zur Rechten zuzuhören, und zerstreute Bemerkungen einwarf, die Interesse, Erstaunen oder Mitgefühl bekundeten. Da sie sich Apathie und Zynismus verweigern mußte, blieb ihr nichts anderes übrig, als diese Qual zu ertragen (denn der Wein konnte nur den Zustand innerer Spannung, in dem sie sich befand, ein wenig mildern).
    In der Tat, Milord. Wie wahr, Milord. Welch ein Jammer. Wie klug … Wie vernünftig …
    Lord Montfallcon, grau wie Granit, in schwarzem Samt mit einer grauen Halskrause und einer Kette aus Ebenholz und Gold auf der Brust, sprach mit gewichtiger Miene über den Tisch zu Sir Amadis Cornfield, der das Gemurmel seiner kleingewachsenen Frau zu ignorieren und den Lordkanzler zu hören bemüht war.
    »Es gibt Leute, Sir Amadis, die am liebsten Polens Beispiel folgen und eine Demokratie aus Albion machen würden. Selbst hier im Palast habe ich solche Ansichten gehört. Manche würden unsere Monarchie am liebsten gänzlich abschaffen! Die Errichtung der Demokratie in einem Land ist, wie Platon sagt, der vorletzte Schritt zu völligem Verfall.«
    Ach, frei von dieser Bürde zu sein! Aber nein, immer gibt es Pflichten … Pflichten …
    Sir Amadis, im Gegensatz zu dem recht lebhaften purpurnen und grünen Gewand seiner Frau von konservativer Eleganz, ließ eine Gabel voll Rebhuhn zwischen Schnurrbart und Bart verschwinden und kaute bedächtig, um zu zeigen, daß er mit dem angemessenen Ernst lauschte. »Und Arabien? Gibt es nicht andere, die voller Hoffnung den Blick auf das tyrannische Arabien richten und Albion am liebsten zu einer kriegerischen, waffenstarrenden Nation machen möchten, einem alles verschlingenden Drachen?«
    »Damit es sich in einem gewaltigen, blutdurstigen Toben für immer schwäche«, sagte Sir Orlando Hawes und hob warnend die schwarze, kurzfingerige Hand, ohne zu bemerken, daß er eine Dessertgabel in den Fingern hielt. »Kriege sind eine Vergeudung von Menschenleben und Geld. Sie berauben das kriegführende Land seiner Jugend. Alle Ersparnisse, aller Besitz der Nation, alles wird verschleudert, um Ruhm zu gewinnen, den wir nicht brauchen, und Land, das bebaut und verwaltet werden muß.« Sir Orlandos wirtschaftliche Theorien erschienen der Mehrheit noch immer so radikal, daß sie es vorzog, nichts davon zu verstehen.
    »Krieg!« rief der tatarische Gesandte

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