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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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von seinem Platz weiter unten an der Tafel, als könne die Erwähnung des Wortes hinreichen, um die Situation zu schaffen, die er am sehnlichsten wünschte. »Krieg kräftigt die starke Nation. Albion sollte sich vor einem neuen Krieg nicht fürchten.«
    Aber ich fürchte Krieg und alles, was ihn begleitet … Gewalt vereinfacht und verzerrt die Wahrheit und bringt das Scheusal an die Macht …
    Gloriana hatte in ihrer Vorstellung ein klares Bild vom Scheusal. Es war dem Vater nicht unähnlich, den sie als kleines Kind gekannt hatte. Die drohende, finstere, übelwollende Erscheinung ungezügelter Macht, die komplizierte Sachverhal te mit Folterbank und Henkerbeil rasch aufklären und jede Entscheidung durch eine Mischung von Selbstmitleid und dem immerwährenden Argwohn rechtfertigen konnte, daß die eigene und daher auch die Sicherheit des ganzen Landes bedroht sei … Sie erinnerte sich der Wahnvorstellungen und der Trauer …
    »Gewisse Adlige in Virginia sind erklärte Republikaner«, erklärte der Lord von Kansas, prächtig anzuschauen in düsterem Rot und dunklem Gelb, mit dem weiten Radkragen, der in seiner Heimat als modisch galt. Er lächelte seinen Zuhörern zu, erfreut über die Wirkung seiner Worte, und nahm einen Schluck Wein.
    »Und ich dachte, Virginia sei die loyalste Nation ganz Albions!« Sir Amadis’ Gemahlin (die älteste der PerrottSchwestern) blickte Lord Kansas mit runden Augen an. »So ist es, Madam. Die Königin wird dort beinahe als eine Göttin verehrt. Ohne Frage.«
    »Wie verträgt sich das mit dem, was Ihr gerade sagtet?«
    »Die Leute sind Republikaner, nicht Antimonarchisten. Polen ist ihr Vorbild. Vor hundert Jahren gab Kasimir XII. (auch der Vernünftige genannt) alle Macht dem Parlament und wurde vom Herrscher des Staates zu einem Oberhaupt mit rein repräsentativen Funktionen.«
    »Und sollte Polen vom Krieg bedroht sein – einem ernstlichen Krieg«, erklärte Oubacha Khan, »wird es erledigt sein! Man wird tausend Entscheidungen treffen, wo es nur eine geben sollte!« Er richtete seinen begeisterten Blick auf die Gesandtin Yashi Akuya, auf deren Zustimmung er immer zählen konnte. »Während Gemeine schwätzen, handelt ein König. Das alte Sparta mag uns hier zum Beispiel dienen!« Derer, die ihm zustimmten, waren nicht wenige. Selbst Graf Korzeniowski, der neben seiner Kurzsichtigkeit ein wenig schwerhörig war, nickte zustimmend.
    »Ein Republikaner ist Verräter am Staat«, sagte Lord Ingle
    borough, der einen pelzbesetzten Umhang über seine Staatsgewänder geworfen hatte. Er hustete. »Das muß festgestellt werden. Und Verräter sollten – nun …« Er geriet in Verwirrung, blickte zur Königin und wieder weg. »Des Landes verwiesen werden«, sagte er.
    Er meint hingerichtet. Geköpft, gehenkt, in Stücke gerissen, verbrannt, aufgeschlitzt … Es darf kein Blutvergießen mehr geben … Zu viele starben … Zu viele … Ich werde nicht in Albions Namen töten …
    »Ein Verräter, Lord Ingleborough«, polterte der aufrichtige Rhoone, »ist jemand, der sich aktiv gegen die Person Ihrer Majestät oder die Sicherheit des Staates verschwört. Wenn republikanische, stoische oder theologische oder irgendwelche anderen Ansichten uns nicht unmittelbar bedrohen, dann können diejenigen, die sie haben, nicht Verräter genannt werden. Ein gut geleiteter Hof enthält immer eine Vielzahl von Meinungen und Glaubensvorstellungen, denn er soll repräsentativ für die ganze Nation sein. Ein Monarch ist notwendig, um diesem Rat vorzusitzen, um von erfahrenen, kenntnisreichen Männern wie Euch, meine Herren Räte, und allen anderen beraten zu werden, deren Weisheit nützlich ist, soweit es Fakten und Erkenntnisse betrifft: Dann kann der Monarch eine durchdachte Entscheidung treffen.«
    Ach, mein vertrauensvoller, treuer Rhoone! Wie geordnet und unabänderlich ist deine vollkommene Welt! Wie unerbitt lich kettet dein Glaube mich an. Das Bewußtsein von der Not wendigkeit der Freiheit, das wir miteinander teilen, es macht uns zu Sklaven …
    »Einverstanden, Lord Rhoone«, erwiderte Prinz Sharyar, der Gesandte des Großkalifen. »Würdet Ihr mir auch darin zustimmen, daß die Stabilität eines Staatswesens durch eine Erbfolge aufrechterhalten wird, durch Thronfolger, die von Kindheit an auf die Verantwortung der Regierung vorbereitet werden?« Mit kühler Berechnung hob er sein Glas, um mit einer Verbeugung zur Königin hinzuzufügen: »Ich spreche rein begrifflich, Euer Majestät.«
    Gloriana

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