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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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bedrängt, als er mehr und mehr im Wahn untergegangen war und in jedem Auge eine Anklage gesehen und in jeder Stimme die Forderung nach einem Stück von seiner zerbrechlichen Substanz gehört hatte, bis er, um die Augen zu verschließen und die Stimmen zum Verstummen zu bringen, sich unter dem Deckmantel der Justiz mehr und mehr verzweifeltem Morden zugewandt hatte. So war Lord Montfallcons Familie untergegangen, Lord Ingleboroughs Brüder und sein Vater, Sir Thomasin Ffynnes Gemahlin und Sohn ganze Haushalte, ganze Geschlechter waren ausgerottet worden. Hätte er lange genug gelebt, so wäre König Hern imstande gewesen, die Bevölkerung Albions bis zum letzten Säugling hinrichten zu lassen. Und dann hatte Montfallcon, der sich mit seinem Ehrgeiz durch alle Schrecken und Gefahren getröstet und seine eigene geistige Gesundheit bewahrt hatte, indem er sie zum Gegenstand seines Glaubens und seiner Hoffnung machte, sie zur Königin gekrönt, eine neues Goldenes Zeitalter ausgerufen, sie einen neuen, weiblichen, friedliebenden Perikles genannt, sie zum Symbol der Gerechtigkeit, Gnade, Liebe und Hoffnung ernannt und das Chaos über Nacht aus Albion verbannt – ja, er hatte Albion Licht und Vertrauen, Wahrheit und Würde gebracht; und Königin Gloriana I. fiel in den Jahren ihrer Regierungszeit aller Verdienst für diese Verwandlung zu, während Montfallcon, durch Gewohnheit und Charakter menschenscheu und zurückhaltend, wenn die Notwendigkeit es verlangte, noch immer als der Teufel der Vergangenheit posierte.
    Mit einer Willensanstrengung richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder nach außen, schüttelte sich wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt, und hört Lord Kansas mit der Geschick lichkeit und dem Vergnügen eines Mannes, der die Rolle des Märchenerzählers genießt, von seinen ostindischen Abenteuern berichten:
    »Und so, Ihr Herren, trafen mehrere gewappnete Ritter in einer Halle aus hohem Bambus zusammen, in der es kühl und dunkel war, denn Licht drang nur durch enggeflochtenes Gitterwerk. Diese gewaltige Halle war das Vogelhaus des Königs von Bengalen. Streitaxt und Schild, Schwert und Lanze schlugen mit hellem Klang und metallischem Krachen aufeinander, während überall um uns her Papageien und Sittiche, Dohlen und Paradiesvögel, Tukane und Kakadus kreischten und flatterten. Nun, am Ende war mehr Vogel- als Menschenblut vergossen, und die Sache wurde freundschaftlich beigelegt, als alle erschöpft waren und Sir Colum Feveril es auf sich nahm, den angemessenen Preis für das Mädchen zu bezahlen, das er aus Liebe geheiratet hatte. Denn das war die Ursache des Streites gewesen. Sie hatten es nicht von Anfang an klargemacht.« Gloriana holte tief Atem und stimmte in das allgemeine Gelächter mit ein.

    DAS DREIZEHNTE KAPITEL

    Lord Montfallcon weiß das Werk eines Künstlers nicht angemessen
zu würdigen, der Künstler aber begegnet dem Tod und bittet ihn
um einen Dienst

    Der Märzwind raschelte im dicken Efeu um Lord Montfallcons hohe Fenster und hob ihn wie die schweren Unterröcke von Bauernweibern, wodurch Kapitän Quire an eine Empfindung erinnert wurde, die er nicht näher zu bestimmen vermochte; es mußte etwas aus seiner Kindheit sein, das bisweilen über ihn kam, wenn die Elemente ihn inspirierten und eine süße Ruhe mit sich brachten, die er seitdem nie gekannt hatte. Die Hand am Degenknauf, den breitkrempigen Hut unter dem Arm, sah er den schlauen alten Mann das gedruckte Pamphlet überfliegen, das Quire ihm gerade übergeben hatte.
    »Keine anderen Exemplare sind dem Feuer entgangen?« fragte Montfallcon gedankenvoll. »Keine. Auch das Manuskript verbrannte ich.«
    »Diese Stoiker. Ich respektiere sie, Quire. Bin selbst ein Anhänger ihres Glaubens. Aber wenn Glaube zu eiferndem Fanatismus wird … Das kann eine Menge Schaden anrichten. Die Königin öffentlich eine Hure zu nennen! Verdorbenes Blut! Das Blut war das beste, was es gibt – ihr Vater hat es sauer gemacht. Hemmungslose Hingabe an sinnliche Genüsse, während die Feinde sich sammeln … Bei den Göttern! Wenn die Urheber wüßten, wie hart sie für Albion arbeitet. Nun, im Laufe der Jahre habe ich alles das schon öfter gelesen. Der Autor?«
    »Unterwegs, ein neues Leben zu beginnen, Milord, wo er genug Unbequemlichkeit finden wird, um mit seinem Los zufrieden zu sein. Ich habe ihn in Ketten nach Afrika geschickt,
    zum Shalef von Bantustan.«
    Montfallcon schmunzelte. »Ihr habt ihn verkauft, Quire? Als Sklaven?«
    »Als

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