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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Aschenstückchen des verbrannten Pamphlets. »Oder wie sein künftiges Leben zu werden verspricht. Aber ich spiele auf meinen Emotionen mit der Geschicklichkeit und Sorgfalt eines Musikers, und genauso spiele ich auf den Emotionen jener, die zu gebrauchen ich geneigt bin.« »Aber Ihr müßt einen Ehrgeiz haben.«
    »Ich sagte es bereits, Milord. Meine Sinne zu erweitern und zu bestimmen.«
    »Ihr gebraucht die Worte eines Gelehrten, um niedrige Taten zu rechtfertigen, das ist alles.« Lord Montfallcon schien im Begriff, Quire zu entlassen, und kehrte mit verdüsterter Miene an seinen Schreibtisch zurück.
    »Sicherlich erkennt Ihr mich als einen Künstler, Milord«, sagte Quire, unterwegs zur Tür. »Ich habe freimütig gesprochen, und solche Worte sollten Euch nicht stören. Sie sind objektiv.«
    Der andere schürzte die Lippen. »Ihr genießt Eure Werke!« Es war eine unerwartete Anklage.
    Quire hob die Brauen. Seine dunklen Augen blickten amüsiert. »Freilich.«
    »Ich wünschte, es wäre nicht notwendig, bei allen Göttern! Aber es ist notwendig, und wir müssen es tun.« Er schwieg eine Weile, dann sagte er bitter: »Daß ich für einen neuzeitlichen Kallikles den Sokrates spielen muß!«
    Quire kämmte sich seine dicken Locken mit der linken Hand, während er seinen Auftraggeber beobachtete. »Ihr leidet darunter, Milord?«
    »Ich muß Euch bezahlen«, sagte Montfallcon statt einer Ant
wort und öffnete eine Schublade.
»Ihr befindet Euch nicht wohl, Milord?«
    »Zum Henker, Quire! Ihr wißt, daß es kein körperliches Leiden ist. Manchmal frage ich mich, was ich tue und warum ich mir die Mühe mache, Euresgleichen zu beschäftigen.« »Weil ich der Beste bin. In dieser unserer Arbeit, Sir. Aber ich will meine Rolle nicht rechtfertigen; ich habe mich nur erklärt. Rechtfertigung ist Eure Sache.«
    »Wie?« sagte Montfallcon, momentan verwirrt. Er brachte die Kassette zum Vorschein und stellte sie auf den Schreibtisch. Seine Hände zitterten, als er den Schlüssel hervorsuchte. »Man findet notwendig Geschmack an dem Schmerz und an der Erniedrigung seiner Mitmenschen, Milord. Das liegt in der Natur der Arbeit. Aber wie ein Soldat (nach gewonnener Schlacht) sentimental den Schrecken und das schändliche Gemetzel und die Vergeudung beklagt, so könnte auch ich weinen und jammern: ›Welch ein Schrecken! Aber es muß sein!‹ – und mich damit trösten (und Euch, Milord, denn das ist es, was Ihr heute von mir zu erwarten scheint). Ich will mit solcher Sophisterei nichts zu schaffen haben. Statt dessen rufe ich: ›Welch ein Schrecken! Aber wie köstlich ist es!‹ Sollte ich das Opfer sein, denke ich, ich möchte noch lernen, mein eigenes Elend zu genießen, denn auch das ist ein Mittel zur Erweiterung und Bestimmung der Sinne. Aber ich suche die Freiheit der Macht. Sie gibt mir ein weiteres Feld. Daher greife ich nach dem Privileg, das Eure Gönnerschaft mir zugänglich macht: dem Privileg der Macht. Ich ziehe es vor, den Schmerz eines anderen zu genießen, als meinen eigenen.«
    »Schmerz ist dazu da, um ertragen zu werden, das ist alles. Ihr seid eine Kreatur, Quire; pervers und verderbt in Eurer Seele.« Er zählte die Goldmünzen in einen Beutel.
    »Nein, Sir, meine Seele ist so edel wie die Eurige, Sir. Ich deute ihre Anforderungen lediglich in einer Weise, die sich von der Eurigen unterscheidet, Sir.« Quire fühlte sich nicht so sehr von Lord Montfallcons Beleidigungen herausgefordert, als von seiner Mißdeutung der Wahrheit.
    »Gebt es zu – Ihr arbeitet für Geld!« sagte Lord Montfallcon, als er ihm den Beutel hinstreckte. »Ich bin kein Lügner, Sir, wie Ihr wißt. Warum wollt Ihr, daß ich Euch in dieser Weise beruhige? Wir haben bisher harmonisch zusammengearbeitet.« »Ich bin der Geheimniskrämerei überdrüssig!«
    »Ihr beschäftigt mich nicht, Milord, damit ich Euch tröste.«
    »Geht! Eure vulgären Ironien sind mißtönend für mein Ohr!« Kapitän Quire verneigte sich, wollte aber nicht gehen. Er hielt stand, und es schien, daß er zornig war. »Dafür, Milord, bitte ich um Verzeihung. Mir fehlt die Übung. Ich kann mir nicht anmaßen, so hell und klar zu singen wie ihr Herren am Hofe, denn mein Beruf verlangt nach unverblümteren Tönen.« »Ihr reizt mich, Quire! Ich bin kein Tanzbär für Eure Unterhaltung. Geht!«
    Kapitän Quire nahm das Geld und steckte es ein, aber er wich nicht von der Stelle. »Ich bin es gewohnt, zu jenen zu sprechen, die vor Entsetzen beinahe taub sind oder

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