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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Schreiber. Er wird für die dortigen Verhältnisse gut behandelt werden. In einem Abschnitt dieses Pamphlets behauptet er, daß er und seinesgleichen in diesem Land nicht anders als Sklaven behandelt werden. Es schien mir passend, ihn von der Realität kosten zu lassen.«
    »Wer ist der Drucker?« Montfallcon wedelte mit dem Papier, während er es zum Kaminfeuer trug.
    »Ein unwissender Mann. Ich brauchte ihn nur einzuschüchtern. Jetzt ist er wieder bei seinen Flugblättern und Plakaten.« »Seid Ihr Euch seiner sicher?«
    »Er behauptet, daß er kaum lesen könne und die Bedeutung des Pamphlets nicht verstanden habe. Darauf machte ich mich erbötig, ihn gegen künftige Irrtümer zu versichern, indem ich dafür Sorge trüge, daß er überhaupt nichts mehr würde lesen können.«
    »Ah, Quire«, sagte Montfallcon mit jählings verdüsterter
Miene, »ich frage mich, ob Ihr jemals kommen werdet, um
mich einzuschüchtern.«
»Das ist nicht mein Geschäft, Milord.«
    Montfallcon musterte Quire, aber er konnte keine Antwort auf die Frage finden, die seine Augen stellten. »Ich wünschte, ich kennte Euer Ziel, Quire. Ihr arbeitet nicht für Gold, das weiß ich, obwohl Ihr gut bezahlt werdet. Wie wird soviel ausgegeben, wo Ihr doch immer in denselben Kleidern geht, im selben geflickten Umhang? Ihr seid kein Trunkenbold und auch kein Spieler.« Er blickte stirnrunzelnd ins Feuer. »Ihr zahlt nicht für Frauen. Spart Ihr es, Quire?« Die Flugschrift wurde in die Flammen gelegt und, als sie zu Asche verbrannt war, mit einem langen Schürhaken zerstoßen.
    »Ich gebe es freizügig aus, des öfteren auch für gute Taten«, sagte Quire. Er war über diesen Mangel an Verständnis ver wundert, sogar verwirrt. »Eine Witwe hier, ein Krüppel dort.« Montfallcon grunzte nur. »Ihr, Quire? Mildtätig?«
    »Ich bin ein mitfühlender Freund – aber nur für die Schwachen. Die Verrückten und die Starken sind meine Sache nicht; ich bekämpfe sie oder gehe ihnen aus dem Weg. Meine guten Taten, Lord Montfallcon, sind wie alle meine Taten eigennützig. Ihrer Arbeit und der meinigen ist durch den Ruf meiner Großzügigkeit sehr geholfen. Wir haben eine große Zahl von loyalen und unschuldigen Leuten in unseren Diensten, von treuen, schwachköpfigen Männern und Frauen, von stumpfsinnigen, gutherzigen, ehrlichen Menschen – denn sie sind diejenigen, mit denen der Feind niemals rechnet. Sie werden immer ignoriert, allenfalls mit Herablassung behandelt. Darum sind sie die dankbarsten Empfänger meiner guten Taten und bringen mir alle Arten von Nachrichten, nicht aus Geldgier, sondern schlicht und einfach aus Treue. Ich bin ihr Held. Sie verehren Kapitän Quire. Sie vergeben ihm jedes Verbrechen (›Er hat seine Gründe.‹) und schützen ihn nach Kräften vor den Folgen. Sie sind das Rückgrat eines jeden Vorhabens.«
    »Ich fühle mich durch diese Vertraulichkeiten beinahe geschmeichelt, Quire. Fürchtet Ihr nicht, mir die Geheimnisse Eures Handwerks zu enthüllen?«
    Quire stutzte. »Handwerk?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, denn von meiner Sorte gibt es wenige auf der Welt. Die meisten Diebe sind Dummköpfe, die meisten Mörder Romantiker, die meisten Spione Wichtigtuer. Ich bin stolz, die Theorien dieses Berufes auszulegen, wie jeder Künstler Freude daran hat, seine Methode zu erklären, weil er weiß, daß nur sehr wenige ihm folgen können – und weil er gern bereit ist, diesen wenigen zu helfen.« »Wie? Ihr seht mich als einen Schüler an?« »Natürlich nicht, Milord. Als ebenbürtig.«
    Lord Montfallcon drohte ihm mit dem Finger. »Hybris, Quire! Ich argwöhne, daß die Entführung von Königen Eurer Phantasie reichhaltigere Nahrung gegeben hat, als Ihr zu verdauen vermögt. Ihr habt vom starken Wein gekostet, und nun wollt Ihr keinen anderen mehr. Ihr werdet fallen – Ihr werdet zu selbstbewußt.«
    »Es gefällt mir, so zu sein«, entgegnete Quire verdrießlich. »Wenn ich Freude an dem Gefühl habe, dann unterdrücke ich es nicht. Ich glaube nicht an eine bestimmte Zukunft.« »Ihr erwartet zu sterben?«
    Seine Verwunderung nahm weiter zu. »Nein, Milord. Es ist bloß, daß es so viele mögliche Zukünfte gibt. Ich versuche sie alle in meinen Plänen zu berücksichtigen. In einer anderen Weise aber bereite ich mich auf keine von ihnen vor.« »Ihr seid nicht leichtlebig, Quire. Versucht nicht, vor mir so zu scheinen.«
    »Mein Leben ist so diszipliniert, wie seines war«, sagte Quire und zeigte auf die zerstoßenen

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