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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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mein einziger Meister. Und er verachtet mich.« »Dann verachte auch du ihn! Er ist der Verlierer.«
    Quires Miene hellte sich auf. »Das ist er. Du hast recht, Tinkler.« Er schritt weiter aus. Sie hatten die Mauern fast erreicht. »Geh du zum Walroß, dann werde ich dich dort treffen. Ich will bei meinem reputierlichen Quartier vorbeischauen und sehen, wie es Frau Philomena, der Ehefrau des Gelehrten, ohne ihren liebenden Gemahl ergeht.« Er rückte an seinem Hut, daß er verwegen auf einem Ohr saß. »Wir sehen uns im Walroß, Tink.«
    Tinkler eilte erleichtert voraus durch das Tor, aus dessen Öffnung er einmal zurückwinkte. »Du wirst bald wieder der alte sein!«
    Quires Stimmung verbesserte sich von einem Augenblick zum anderen. »Freilich. Ihn verachten. Ich habe alles gelernt, was ich lernen kann. Ich bin besser als unser Freund Montfallcon. Ich werde ihn hinter mir lassen.«
    In dieser unwirklichen und zuversichtlichen Stimmung trat er durch das Tor und fand sich unversehens von einem halben Dutzend Strolchen umringt, die aus Mauerwinkeln hervorsprangen und mit Netzen und Decken, Stricken und Messern über ihn herfielen. »Da ist er!«
    Quires schnelle Hand fuhr zum Degenknauf, aber schon hatte eine Seilschlinge sich um seine Schultern gelegt. Er wand sich, um sie abzustreifen, aber sie wurde festgezogen. Die sechs Raufbolde, mit Umhängen und Kapuzen halb maskiert, waren über ihm.
    »Schwachköpfe! Ich bin Quire. Ich habe Freunde. Alle handfesten Kerle der Stadt!«
    Sie ließen seine Einwendungen unbeachtet und hatten ihn zu einem Bündel verschnürt und auf einen stinkenden Karren verladen, ehe er sich’s versah. Er begann an sich und der Welt zu zweifeln. Sie hatten ihm die Augen verbunden, und der einschneidende Druck der Stricke machte seinen Körper taub und gefühllos. Dies war bereits die zweite Überraschung dieses Tages. Hätten sie ihn nicht mit einem schmutzigen Lappen geknebelt, er hätte laut geflucht.
    Bei Arioch, ich bin gefangen. Dies ist ein Übermaß an Ungerechtigkeit! An einem Tag! Ich erlaubte mir, die Zuversicht zu verlieren, und verlor so die Hoffnung – und nun verliere ich mein Leben. Es sei denn, ich kann mich herausreden. Aber was steckt dahinter? Welche Feinde würden es wagen …? Und dann kam Kapitän Quire der Gedanke, daß sein Gespräch mit Montfallcon und die Wendung, die es genommen hatte, mit dieser Entführung etwas gemeinsam hatten. Er hat mich ausgeliefert. Er hat mich verraten und hofft mich zu ermorden, ehe ich seine Geheimnisse enthüllen kann. Es muß so sein, daß er die Wahrheit nicht glaubt. Nun, er soll sie erfahren, wenn ich sterbe. Jede Tat wird in Kapitän Quires Bekenntnis veröffentlicht werden. Die Götter sind meine Zeugen, es wird Albion demütigen! Oh, mein Freund Montfallcon, sollte ich überleben, so wirst du noch härtere Vergeltung spüren. Dann wirst du die Wahrheit anerkennen müssen – daß der Schüler zum Meister geworden ist. Ich werde dich zwingen, diese Tatsache anzuerkennen, wenn nicht noch eine andere … Seine Fingerspitzen tasteten nach dem verborgenen Dolch, konnten ihn aber nicht erreichen. Er begann auf dem Knebel zu kauen, um ihn zu lockern. Er prüfte die Stricke und Netze, die ihn hielten. Er lauschte angestrengt den Stimmen seiner Fänger, aber es waren nur noch drei – zwei auf dem Kutschbock des Karrens und einer bei ihm auf der Ladefläche –, und sie
    waren alle drei schweigsam.
    Weil er nicht tot war (es wäre ihnen ein leichtes gewesen, ihn an Ort und Stelle zu ermorden und seinen Leichnam dann zum Fluß zu schaffen), vermutete er, daß ein verzögerter Tod Teil seines Schicksals sein sollte. Vielleicht hoffte Montfallcon, ihm durch Foltern Näheres über seine Bekenntnisse und ihr Versteck zu entreißen, ehe er ihn töten ließ. Er beschloß den Qualen standzuhalten und sich ihrer so gut es ging zu erfreuen – um die hilflose Enttäuschung seiner Folterer und ihrer Auftraggeber zu genießen, wenn er schließlich stürbe. Es bedeutete aber auch, daß er Aussicht hatte, am Leben zu bleiben und zu fliehen, denn diese Kerle waren nicht scharfsinnig. Allem Anschein nach Gelichter der verächtlichsten Sorte, mochten sie sich durch Bestechung, Drohung oder Täuschung umstimmen lassen, wenn erst sein Mund frei wäre. Er überlegte, wen Montfallcon mit dem Verhör beauftragt haben mochte. Es gab schon seit langer Zeit keinen mehr, dem er diese Art von Arbeit anvertraut hatte, ausgenommen Quire selbst. Er folgerte daraus,

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