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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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habt Ihr in Montfallcons Diensten getötet, Kapitän?«
    »Ihr stellt mir da eine politische, keine persönliche Frage«, sagte Quire ausweichend.
    »Wie viele habt Ihr getötet? Wie viele Leben habt Ihr in den Jahren Eures Wirken genommen?«
    »Wenigstens hundert. Wahrscheinlich mehr. Das heißt, ich
selbst. Dutzende sind in Kämpfen und dergleichen gefallen.
Aber ich erinnere mich nur an wenige.«
»Meines Neffen Tod?«
    Quire legte die Hand ans Ohr. »Aha. Ich glaube, Ihr stimmt Euch für dieses Lied ein, das ich erwähnte.«
    Prinz Sharyar schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, Ihr erinnert Euch an seinen Tod, da Ihr ihn erst vor kurzem ins Werk setztet.«
    »Ich erinnere mich nur meiner besten Arbeiten, nicht der alltäglichen Dinge. Da gab es einmal ein kleines Mädchen – Teil einer Familie –, das ich an einem Fleischspieß aufspeilerte, während ich seiner Mutter Informationen entlockte. Doch wenn es so erzählt wird, hört es sich nach nichts an, und ich habe nicht die Poesie, um es für Euch zum Leben zu erwecken.« »Mit welcher Moral rechtfertigt Ihr diese Morde?« fragte Prinz Sharyar in neutralem Ton. »Es würde mich interessieren.«
    »Moral? Moral spielt darin keine Rolle. Das wäre anstößig, Sir. Ich habe aus jedem Grund getötet – zum Vergnügen, um des Goldes willen oder aus verletztem Gefühl; aus Neugierde, zur Vergeltung, um mich meiner Haut zu wehren und so weiter – nur nicht aus einem: Ich habe nie aus moralischen Gründen getötet.«
    »Montfallcon muß Euch sehr gut bezahlen. Wohin geht Euer Gold?«
    Quire lachte. »Diese Frage hat man mir heute schon einmal gestellt. Wenn ich nichts besitze, kann ich nichts verlieren. Ich miete und borge für die Notwendigkeiten des Augenblicks. Ich verstreue mein Geld großzügig, aber selten willkürlich. Ich sichere mögliche Rückzugswege, pflastere mir eine silberne Straße in die Sicherheit, wenn Ihr versteht, was ich meine. Das Geld wird für das Beste angelegt, was ich haben kann – Macht. Darum leihe ich mein Geld nicht aus, daß es mir zurückgezahlt werde, sondern damit ich jemanden habe, der in meiner Schuld steht.«
    Prinz Sharyar war belustigt und beeindruckt zugleich. »Ich verstehe. Ich machte mir Gedanken über Eure möglichen Schwächen, Kapitän Quire, und nun kenne ich eine. Ihr habt einen langen Atem, wie?«
    Quire öffnete den Mund zur Antwort, aber der Sarazene kehrte zum ursprünglichen Thema zurück. »Euer Degen ist gut, höre ich.«
    »Vom besten Stahl der Welt. In Blut abgefrischter Stahl aus Toledo. Mein Degen und meine Dolche sind meine einzigen Wertgegenstände. Sie sind mein Werkzeug – sie und mein
    schneller Verstand.«
    »Also habt Ihr keine anderen Schwächen, Kapitän Quire«, sagte Prinz Sharyar nachdenklich.
    »Ich bin, wie Ihr gesehen habt, geneigt, über Natur und Ausübung meiner Kunst zu diskutieren, weil ich stolz auf sie bin.« Um dem anderen zu besserem Verständnis zu verhelfen, setzte er hinzu: »Ich bin geneigt, eine Arbeit zu vollenden, selbst wenn sie im halbfertigen Stadium verpfuscht scheint. Ich brauche Entschlossenheit und vertrage schlecht Kritik, mag ich sie bisweilen auch verdient haben. Oh, ich bin sicher, daß ich noch mehr Schwächen habe.« »Aber keine der konventionellen Art. Frauen?« »Ich bin in meinen Bedürfnissen befriedigt.« »Position?« Quire lachte.
    Prinz Sharyar wählte einen anderen Weg. »Was würdet Ihr
tun, um Euer Leben zu retten?«
»Die meisten Dinge, Sir, denke ich.«
»Eure Ehre aufgeben?«
    »Eure Interpretation von Ehre mag nicht dieselbe sein wie die meinige, Milord. Ich bin mir selbst und meiner Kunst treu.« Prinz Sharyars Miene begann sich aufzuhellen, als sei ihm ein Gedanke gekommen. »Ich beginne zu verstehen. Montfallcon hat sich Eurer versichert, weil er Eure besonderen Gaben zu schätzen weiß. Ich verstehe. Ihr seid kein gewöhnlicher Meuchelmörder.«
    Quire zuckte die Achseln. »Lord Montfallcon beschäftigt mich nicht mehr.«
    »Was? Endlich begreife ich Eure Eingangsworte. Er hat Euch fallenlassen?«
    »Nein, Milord. Ich habe sein Patronat aufgegeben.«
    Der Sarazene nickte. »Und darum dachtet Ihr, er habe Euch an mich verraten und ausgeliefert.«
    »Nun weiß ich, daß er mich nicht direkt verriet – vielleicht
    nur aus Unachtsamkeit. Ich erwartete größere Loyalität.« »Von ihm?« Der Sarazene wedelte geringschätzig mit der Hand. »Nicht Montfallcon. Er achtet niemanden. Er hat die Menschheit seit langem zugunsten des Idealismus

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