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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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erleichtert auf den Rücken. Da Quires Ton sich geändert hatte, vergaß er seine Sorgen augenblicklich. »Dann laß uns beide zum Walroß gehen, Käpt’n. Dieses trübe, windige Wetter verbreitet überall Melancholie.«
    Quire erhob sich vom Felsblock, das Kinn auf der Brust, das Gesicht von der flappenden Hutkrempe verdeckt. Er war ungewöhnlich und auf eine beängstigende Weise gefügig. »Gut. Wie du meinst.«
    Tinklers Beunruhigung stellte sich wieder ein. »Ein Mädel oder zwei ist, was wir brauchen, zum Aufwärmen. Um die schlechte Laune loszuwerden.«
    »Ein Mädel?« Die Augen bewegten sich in dem bösen Kopf und blickten Tinkler forschend an, als verstünde Quire nicht länger den Begriff.
    Tinkler erschauerte. »Jedes Frauenzimmer im Walroß würde dir gehören, wenn du wolltest. Du brauchst Liebe, Meister.« Quire wandte seinen düsteren Blick von Tinkler und reckte den stämmigen Rücken. »Ich liebe meine Kunst.«
    »Du bist der Beste«, sagte Tinkler mit trockenem Mund. »Kannst jeden fragen.«
    Sie gingen weiter auf die Mauer zu, die kaum eine halbe
Meile voraus am Fuß der Anhöhe verlief.
»Es ist wahr«, stimmte Quire zu.
    »Und du bist stark, Käpt’n. Du liebst deine Arbeit – das heißt, deine Kunst – und sonst nichts. Aber laß dich von ihnen lieben. Nimm deine Belohnungen.«
    Quire schaute zu Boden. »Ich dachte, Montfallcon verstünde mich. Was die anderen angeht, so habe ich keine Erwartungen. Das gilt auch für dich und deinesgleichen, Tink. Ihr werdet niemals mehr als ein Geselle sein, die den Umrissen ein wenig Farbe geben und hier und dort einen Hintergrund malen. Gute, solide Handwerker, und daran gibt es nichts auszusetzen. Männer wie O’Bryan verachte ich – Dummköpfe von seiner Art, die großtun, die Ambitionen und Ehrgeiz haben, denen aber jedes wahre Talent fehlt und die es lediglich durch einen Instinkt für Mord und Verrat ersetzen. Ich mußte diese Instinkte kultivieren, disziplinieren, schärfen, einstimmen … Ach, und dann muß ich erfahren, daß ich nicht höher geachtet bin als ein O’Bryan, dieser fühllose, gierige, prahlerische Schlächter. Man stellt mich auf eine Stufe mit Gestalten, die ich am meisten verabscheue!«
    »Nun, du hast ihm gegeben, was er verdiente«, sagte Tinkler
    begütigend.
    »Und sie denken, ich könne nicht lieben, Tink. Du denkst es auch …«
    »Nein, nein, Käpt’n. Ich meinte nur, daß du dich nicht verschwendest, daß du für deine Kunst lebst … nichts für die weicheren Gefühle übrig hast …« Tinkler zog die Lippen über seine Vorderzähne, als befürchte er, zuviel gesagt zu haben. »Aber ich habe viel geliebt und viele geliebt, denn ich habe viele besiegt. Und ich bin ein konventioneller Eroberer. Ich liebe alle, die ich überwinde. Wer tut es nicht? Manche können nur für Kinder Zuneigung empfinden, weil Kinder sie nicht bedrohen. Ich empfinde Zuneigung für jene, die gedroht haben, aber keine Bedrohung mehr sind. Ist meine Liebe nicht die vernünftigste, Tink?«
    »Ohne Frage, Meister«, sagte Tinkler, nachdem er sich geräuspert hatte. Er unterdrückte ein Verlangen, seinen Schritt zu beschleunigen und Quire vorauszueilen. »Und viele lieben dich, wie ich schon sagte.«
    Quire runzelte verdrießlich die Stirn. »Ich hoffe nicht. Das verlange und wünsche ich nicht.«
    »Ich meine«, schnaufte der verwirrte Tinkler, »daß die Leute dich schätzen und bewundern und so weiter.«
    »Bewundern? Solche Bewunderung ist leicht gewonnen. Ein paar dramatische Aktionen, ein paar billige Scherze, eine wagemutige Geste, ein wenig Großzügigkeit, und schon jubelt das Gesindel dir begeistert zu, von hier bis Tilbury und darüber hinaus. Ich verachte jene, die trachten, sich bei der Menge beliebt zu machen. Meine Kunst soll von anderen Künstlern anerkannt werden, von Leuten, die in ihren eigenen Bereichen groß sind, wie Lord Montfallcon groß ist. All die Jahre verbrachte er neben Herns Thron, berechnend, kalkulierend, planend, bis es ihm gelang, Glorianas Thronfolge zu erwirken. Als ich jünger war, Tink, da war er mein Held. Ich anerkannte ihn als das, was er war. Ich bewundere ihn noch immer. Sicherlich hat er meine Anerkennung seiner Leistungen gespürt. Aber die meinigen sind in ihrer Weise genauso groß gewesen.« »Größer, Käpt’n, wenn man alles bedenkt.«
    »Ich nahm seine Gönnerschaft an, um meine Erfahrungen zu erweitern, meine Geschicklichkeit und meine Kenntnisse zu verbessern: Erweiterung, Bestimmung … Er war

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