Glueck allein
sich auf meinem Bett bequem. Ich rutschte neben ihn, wobei ich seinen Abstand wahrte. Mein Herz war voller Erwartungen und klopfte schnell.
Im Fernsehen rutschte ein Jugendlicher noch einmal mit seinem Skateboard ein Treppengeländer hinunter, stürzte ab, knallte mit seinem Gesicht auf die Eisenstange, stand nach wenigen Sekunden wieder auf und lächelte mit blutverschmierten Zähnen in die Kamera, dann war die Sendung vorbei.
Florian nahm die Fernbedienung und schaltete sich durch die Sender. Ich tat entspannt und streckte mich. Meine nackte Taille blitzte hervor, ich ließ es zu, denn ich hatte vor Aufregung an diesem Tag kaum gegessen und fühlte mich schmal und verführerisch. Ein Rockkonzert im dritten Programm schien Florian zu gefallen, so dass er es anließ.
Ich betrachtete gerade meine Fingerspitzen, wie auch sie vor Aufregung glühten, da richtete sich Florian unvermittelt auf und fragte: »Sag mal, hast du eigentlich einen Freund?«
Meine Finger gruben sich in die Decke. Jetzt wurde es ernst.
Ich strahlte. »Wenn ich einen Freund hätte, würde ich hier nicht mit dir liegen.«
Er lächelte kurz und richtete seinen Blick wieder auf den Fernseher.
Das war es jetzt? Verständnislos wischte ich über die Decke. Warum lehnte er sich zurück, als sei nichts gewesen? Wir waren doch so kurz davor. Und hatte ich nicht schon lange genug gewartet? Jahre in ängstlicher Untätigkeit verbracht? Obwohl ich mir damals nichts mehr gewünscht hatte, als einmal seine Lippen zu berühren. Und nun war er hier, endlich neben mir. Mein ganzer Körper kribbelte sehnsüchtig.
Dann mach es doch einfach, kam es mir in den Sinn.
Nein, das kann ich nicht, widersprach ich dem ängstlich.
Mach es einfach. Warum ist er sonst hier?
Ohne mir eine weitere Sekunde des Nachdenkens zu gewähren, in der ich meinen Entschluss hätte verwerfen können, kroch ich auf Florian zu und beugte mich über ihn, den schwarzen Abgrund nahe vor Augen. Mein Herz pulsierte bis in meine Lippen, als ich seinen Mund berührte. Er atmete ein, legte seine Hand auf meinen Rücken und erwiderte meinen Kuss. Er schmeckte nach Rauch, aber es störte mich kaum. Wir küssten uns lange und innig, während im Fernsehen eine heisere Frauenstimme zu leisen Gitarren ihre verlorene Liebe besang.
Mal berührte er mich zärtlich, als hätte er Sorge, ich würde zerbrechen, mal packte er stürmisch meine Arme und drückte seinen Unterleib gegen meinen. In jeder Sekunde erwartete ich aufzuwachen, siebzehn zu sein und das alles als Traum zu erkennen. Denn so war es damals immer gewesen.
Das Rockkonzert ging zu Ende, ineinander verschlungen lagen wir auf dem Bett. Ich schaute kurz auf mein Handy. Es war zwei Uhr. Es war nichts explodiert in mir, auch nicht bei seinen sanftesten Küssen, aber es war ja auch unser erster Abend, dem noch viele weitere folgen sollten. Aber nun war es Zeit, dass er ging. Wir waren einander zu fremd, um ein gemeinsames Aufwachen zu überstehen.
Zärtlich sah ich ihn an. »Du, ich glaube, es wäre vernünftig, wenn du jetzt fährst.«
»Vernünftig?« Er hob seinen Kopf.
»Ja, es wäre besser für uns«, sagte ich, wobei ich das letzte Wort lächelnd betonte.
Er ließ sich zurück ins Kissen fallen. »Naja«, sagte er, »ich bin erst seit einem Jahr Single und will es auch bleiben. Ich muss mich nicht vernünftig verhalten.«
Seine Worte waren wie ein Schlag, von dem ich mich einige Sekunden erholen musste. Alles, wonach ich suchte, was ich mir ersehnte, war nun bedeutungslos.
»Also sollte ich mich nicht verlieben?«, fragte ich leise.
»Nein, das solltest du nicht.«
Sprachlos sah ich ihn an.
Er sagte: »Jetzt ist es vernünftig zu gehen.«
Wir gaben uns die Hand und er war mir so fremd, wie er es mir wohl nie zuvor gewesen war. Als er aus der Tür war, erschien mir alles unwirklich, als hätte ich es nur geträumt. Aber das fahle Gefühl, die tiefe Trauer machte die Geschehnisse real und verhinderte die Erleichterung, die man nach dem Aufwachen aus schlechten Träumen gewöhnlich fühlt.
Starr lag ich auf dem Bett und dachte über seine Berührungen nach, die ich noch auf meiner Haut zu spüren glaubte. Sein »Ja« zu der Rothaarigen, dessen genauer Klang mir noch in den Ohren lag, konnte ich mir nicht erklären. Hatte er es nur gesagt, weil es einfacher als ein »Nein« gewesen war?
Erst als es draußen hell wurde, verschwanden die Fragen. Das Unglück blieb zurück.
Gliederung
Ich rutschte auf die Kante meines
Weitere Kostenlose Bücher