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Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Halcour
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konnte und zog sie hinter den Männern her.
    »Wir gehen zur Bar«, rief Ben drinnen über die Musik hinweg. »Tequila trinken. Wollt ihr auch einen?«
    Tequila?
    Gerne.
    Aber Hanna hatte ihre Jacke bereits an. Sie wollte gehen. Und ich musste gehen, allein wegen meines Vortrags, der immer näher rückte. Für mich gab es keinen Herbst, für mich gab es keinen Winter, für mich gab es nur diese eine Zäsur.
    Hanna knöpfte ihre Jacke zu. »Meine Bahn fährt gleich.«
    Ich betrachtete ihre Hände, mit denen sie sekundenschnell die Knöpfe durch die Löcher schob und sagte: »Ich glaube, ich bleibe noch.«
    »Wirklich?« Hanna hatte ihre Jacke geschlossen und stand mit hängenden Schultern vor mir. Sie deutete hinter mich. »Schau dich hier doch mal um.«
    Ich drehte mich um und sah, wie die Blicke der Männer über Hintern und Beine der Frauen liefen oder an ihren Brüsten klebten, ich sah, wie sie schwitzten, lachten und schwankten oder mit zusammengepressten Lippen tanzten. Ich wusste, was Hanna meinte, aber ich wollte nicht gehen.
    »Ich bleibe noch«, sagte ich bestimmt.
    Hanna seufzte. Sie hatte wenigstens versucht, mich zu retten. »Dann nimm dir ein Taxi, Emilia.«
    Ich nickte gehorsam, während meine Augen um ihr Verständnis flehten.
    Nach unserem Abschied setzte ich mir ein Limit. Halb drei, dann spätestens würde ich gehen, das wäre für meine Verhältnisse sogar noch früh.
    Ich fand Ben an der Bar. Als er mich sah, griff er hinter sich und holte ein Bier hervor. Die Tequilagläschen waren bereits geleert.
    Dankend nahm ich einen Schluck von dem Bier und bemerkte, es schmeckte wässrig. Ich ließ Ben probieren, er stimmte mir zu, wir redeten über Betrug an uns Gästen, überhaupt war ja alles schlecht, die Luft, die Leute und die Musik erst Recht. Gut, dass ich geblieben war.
    Ben war noch mit drei Freunden da. Abwechselnd kamen sie bei uns vorbei. Ein kleiner Holländer, ein blasser Russe und die Krähe, vier Männer und ich. Es war gut, dass ich geblieben war.
    Die Zeit verging, die Luft wurde schwül, die Unterhaltungen weniger, die Tanzenden mehr. Ben blieb neben mir und ich sah seine Blicke, kannte seine Erwartungen, ich war schließlich zu ihm gekommen, hätte nur seine Nähe suchen müssen, doch irgendetwas hielt mich zurück. Ich weiß nicht, ob ich insgeheim noch hoffte, jemand Besseren zu finden oder ob es an dem blassen Russen lag.
    Es gibt Orte, an denen leuchtet das Meer durch Algen grün und ein solches Grün fand sich in den Augen dieses schmächtigen Mannes. Anfangs hatte ich ihn gar nicht bemerkt, er stand abseits von uns, bis Ben ihn zu uns herüberzog, seinen Arm um die schmalen Schultern des Russen legte und ihn mir stolz mit dieser Männerfreundschaften eigenen brüderlichen Zuneigung als seinen besten Freund vorstellte.
    Von da an blieb der Russe neben mir und während Ben Bier verteilte und selbst am meisten trank, streckte er seinen Kopf zu mir hin und wies auf einen fülligen Mann, der von einem Bein auf das andere stampfte, »ein angeschossener Bär«, bemerkte er, zeigte mir einen Langhaarigen, der nur Vor- und Rückwärtsschritte machte, »schlechte Choreo, würde mancher jetzt sagen« und lachte mich an. Ich entdeckte einen, der mit gesenktem Kopf über die Tanzfläche schlingerte und fragte flüsternd, ob der seinen Schlüssel verloren hätte, woraufhin der Russe ihm sogleich seine Hilfe anbieten wollte, sich aber hiervon gerade noch abhalten ließ. Gleich darauf zeigte er mir einen, der seine Beine hochzog, als ginge er im Tiefschnee, ich fand einen, der sich beim Tanzen beständig auf den Hintern schlug und bei jedem Mal lachten wir und genossen die Überlegenheit, die Spottenden so eigen ist. Wie gut, dass ich geblieben war.
    Es war schon nach drei, mein gesetztes Zeitlimit hatte ich nach zwei Verlängerungen ganz verworfen. Wir beobachteten einen dürren Typen, der in die Knie gesenkt mit ausgebreiteten Armen die Frauen umkreiste und schmunzelten in uns hinein, bis Ben, für alle sehr deutlich, uns beide verließ. Der Russe hatte gegen die Regeln verstoßen, die Regeln, die jeder in einer Freundschaft kennt. Ich wollte keinen Unfrieden stiften, keinen Streit verschulden. Ich musste mich entscheiden oder gehen.
    Doch plötzlich stürzte der Holländer mit hochrotem Kopf auf uns zu, der Mann mit den schulterlangen Haaren, der mit der schlechten Choreographie, wie der Russe es genannt hatte, habe ihn provoziert. Ich betrachtete den Holländer, dann den langhaarigen Mann,

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