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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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um von Louise fern gehalten werden zu können. Die Gefahr, dass Louise durch den Kindergartenbesuch ernsthaft erkrankte, war in dieser Phase eigentlich wesentlich geringer als die Gefahr, dass ich vor Schwäche umfiel.
    Louise und Loreen kamen nun beide schon jeweils zweimal wöchentlich zu Oma Karin, die die Mädchen mit viel Fürsorge behütete. Ich hatte an diesen Tagen Zeit, im Garten zu arbeiten, ein dickes Buch zu lesen, ausgiebig spazieren zu gehen, ins Schwimmbad zu fahren, den Kontakt zu Freunden zu intensivieren und mal mit einer Freundin ins Kino zu gehen -ich war drei Jahre lang nicht im Kino gewesen. Ich unternahm viel und genoss es in vollen Zügen. Wenn Rolf und ich gemeinsam eingeladen waren, passten Oma Karin und Opa Rolf, die Kinderpflegerin oder meine Schwester auf die Kinder auf. Sie alle betreuten die Kinder liebevoll. Louise hatten wir ein großes Bett gekauft, in dem zwei Personen Platz hatten, damit unser »Besuch«, der die Kinder auch nachts betreute, dann bei Louise im Bett schlafen konnte. Endlich hatte ich kein schlechtes Gewissen mehr, mich von den Kindern auch einmal zu lösen. Ich hatte lange genug Probleme mit dem Loslassen gehabt. Aber was sollte schon passieren? Jeder, dem wir die Kinder anvertrauten, war bald bestens in die plötzlich auftretenden Probleme, wie beispielsweise Pseudokrupp-Hustenanfälle von Louise oder Loreens gelegentlichen Panik- und Schreiattacken, eingeweiht. Man lernte, damit umzugehen. Und wenn wir nach Hause kamen, freuten sich alle, dass die Betreuung so gut geklappt hatte. Und wir hatten Energie getankt, unsere Mädchen weiter zu versorgen.
    Und ich brauchte viel Energie, denn die Kinder machten obendrein natürlich auch sehr viel Blödsinn, und das kostete Kraft und Ausdauer. Selbst im Kinderzimmer durfte man sie nicht ohne Aufsicht lassen. Dort hatte Loreen einmal die oberste Schublade von der Kommode aufgerissen, sich drangehängt, und der ganze Schrank war auf sie gekippt. Grundsätzlich ließen wir in allen Türschlössern von außen die Schlüssel stecken, um die Zimmer nach Bedarf sehr rasch auf-und zuschließen zu können. Es kam schon vor, dass sämtliche Zahnbürsten im Klo lagen, in der Speisekammer rollten die Kartoffeln durch die Gegend, oder die Kinder rissen lachend Mehl- oder Zuckertüten auf. Der Inhalt lag dann auf dem Boden, und ich hatte wieder einiges zu säubern. Im Heizungsraum standen Fahrräder, und Loreen war schon zweimal unter diesen eingeklemmt gewesen, nachdem sie sie umgestoßen hatte.
    Am meisten Angst hatte ich jedoch, als die Kinder mich eines Morgens im oberen Badezimmer einschlössen. Sie hatten einfach den Schlüssel herumgedreht, was gar nicht so einfach war. Ich rief, sie sollen die Tür wieder öffnen. Ich hörte aber nur, wie Louise den Schlüssel abzog und ihn auf den Boden warf. Ich stand mit nassen Haaren und nur mit meinem Bademantel bekleidet im Bad und überlegte, wie ich mich befreien könnte. Alles, was mir vor die Augen kam, war unnütz: Nagelknipser, Zahnbürste, Inhaliergerät. Damit konnte ich die Tür nicht öffnen. Ich drückte mehrmals die Türklinke herunter in der Hoffnung, ich hätte mich geirrt. Vielleicht klemmte die Tür bloß, aber sie ließ sich nicht öffnen. Schließlich stieg ich durch das kleine Dachfenster des Badezimmers und rutschte die Dachpfannen hinunter bis auf das Dach vom angrenzenden Schuppen. Dort stand ich barfuß und frierend und rief um Hilfe. Eine halbe Stunde später etwa hörte mich eine Nachbarin und besorgte eine Leiter. In der Nähe arbeiteten Handwerker, die mir dann vom Anbau hinunterhalfen. Unsere Nachbarin lieh mir ein Paar Hausschuhe, ich rief meine Schwiegermutter an und bat, mir den Ersatzschlüssel vorbeizubringen. Die Haus- und Nebeneingangstüren waren natürlich auch verschlossen. Meine Schwiegermutter, die keinen Führerschein besaß, schwang sich auf ihr Fahrrad und kam, so schnell wie möglich, angeradelt. Inzwischen hatte ich vorn an unserer Haustür ein paarmal geklingelt. Louise stand hinter der Scheibe. Sie rief ganz aufgeregt: »Oh nein, Mama, rein, rein!« Sie fuchtelte aufgeregt mit den Händen und winkte mir zu. Dann gab ich ihr Anweisung, die Tür aufzuschließen. Der Schlüssel steckte ja im Schloss. Sie drehte ihn einmal in die richtige Richtung um und drückte die Klinke. Ich gab ihr Anweisung, den Schlüssel noch einmal im Schloss zu drehen und noch einmal und noch einmal. Mit so vielen Umdrehungen schlössen wir nämlich zur Sicherheit der

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