Glück, ich sehe dich anders
behinderte Kinder integriert. Das wäre optimal für uns gewesen. Da unsere Kinder nachts schlecht schliefen und sie morgens nicht so früh wach waren, wäre uns ein Nachmittagsplatz sehr gelegen gekommen.
Vorsorglich meldeten wir unsere Kinder zusätzlich in der Integrationsgruppe eines Kindergartens im Nachbarort an, der auch nicht allzu weit entfernt war, sodass die Kinder relativ kurze Fahrtwege haben würden. Für diesen Kindergarten waren allerdings erst in einem guten Jahr Plätze frei.
Ich hoffte auf eine positive Entscheidung des Kindergartens in unserem Ort.
UNTER BEHINDERTEN
I ch hatte mich von Anfang an zu viel in die Arbeit mit Behinderten gestürzt. Ich hatte mich dadurch abgekapselt, mein Interesse an betroffenen Familien war schon einer Sucht ähnlich geworden, und ich merkte erst viel zu spät, dass mich diese Beschäftigungen von meinem »normalen« Umfeld entfernten. Ich war ja nur noch umgeben von Kranken und Behinderten. So konnte es wirklich nicht weitergehen. Ich musste einen Mittelweg finden, musste mein Interesse an Behinderten und nicht Behinderten gleichermaßen zum Zuge kommen lassen. Ich erhoffte mir durch die Unterbringung in einem »stinknormalen« Kindergarten eine Kehrtwende unserer Situation. Es war also wieder einmal an der Zeit, einige Schubladen einzurichten, in denen ich Vergangenes ablegte. Und ich erarbeitete mir ein Konzept, in dem ich die Angelegenheiten meiner Kinder und meine eigenen Bedürfnisse gut unterbringen konnte.
Es war dennoch nicht einfach, diese Pläne umzusetzen. Ich hatte mir so sehr den Kontakt zu Müttern mit gesunden Kindern gewünscht und auf Kindergartenplätze im Regelkindergarten gehofft, aber dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Ich hatte meine Energie umsonst eingesetzt. Zu viele Eltern hatten ihre Kinder doch wieder abgemeldet, sodass bis auf weiteres keine zweite Kindergartengruppe zustande kam und somit die Aufnahme unserer beiden Kinder nicht möglich war. Ich ärgerte mich. Erst stürzten sich alle auf die heiß begehrten Kindergartenplätze, aber dann machten sie doch einen Rückzieher. Nun mussten wir unsere Mädchen noch über ein ganzes Jahr zu Hause betreuen. Probleme könnte es vor allem geben, wenn ich im September wieder arbeiten ging. Ich freute mich doch schon so sehr auf die Rückkehr in meinen Beruf …
Mein Wunsch, mich und meine Kinder in eine »gesunde« Gemeinschaft zu integrieren, fand nicht immer Anklang. Als ich auf einem Kindergeburtstag mit einer Mutter von zwei nicht behinderten Kindern über die Themen Kindergarten und Schule ins Gespräch kam und ich ihr sagte, dass ich mir wünschte, unsere Kinder wohnortnah in einen Regelkindergarten zu geben, antwortete sie: »Lass die mal lieber in solch einen Kindergarten und eine Schule gehen, wo sie Behinderte betreuen. Da sind die gut aufgehoben und unter sich. Wenn die bei uns in den normalen Kindergarten oder in die normale Schule gehen würden, dann könnten die zwar von unseren Kindern lernen, aber letzten Endes stören die doch nur den Unterricht und halten die anderen vom Lernen ab. Die können ja nicht einmal stillsitzen …«
Ich lachte laut auf und konterte: »Ja, ich denke, es ist auch besser, dass eure Otto-Normalverbraucher-Nullachtfünfzehn-Gören in einem normalen Kindergarten und in einer normalen Schule besser untergebracht sind. Denn da bekommen sie auch eine optimale Betreuung und Aufsicht, falls sie mit Personen in Kontakt kommen, die mit Drogen dealen oder in Messerstechereien verwickelt sind. Das wird meinen Kindern zum Glück nicht passieren. Aber anders als du finde ich, dass deine Kinder sehr wohl von meinen Kindern etwas lernen könnten. Zumindest würden sie das lernen, woran es dir anscheinend fehlt!«
Sie guckte mich fragend an, verstand anscheinend nicht, was ich meinte.
Irgendwie hatte es auch etwas Gutes, dass meine beiden Mädchen eine Absage für eine Regelkindergartengruppe bekommen hatten, denn so brauchte ich kein schlechtes Gewissen zu haben, Louise und Loreen zu früh in den Kindergarten gegeben zu haben, wo sie zudem häufiger mit Kinderkrankheiten konfrontiert gewesen wären; und das war für Louises Abwehr womöglich zu viel. Schließlich befand sie sich immer noch in Dauertherapie wegen der Leukämieerkrankung, und ihre Werte waren auch während dieser Zeit oft alles andere als berauschend, und ihr Immunsystem war stark geschwächt. Andererseits würden wir Lösungen finden. Wenn Loreen krank würde, könnte sie bei Oma bleiben,
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