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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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auch keine Lust, an den Treffen der anderen Mütter mit den gesunden Kindern teilzunehmen, weil bei uns irgendwie alles anders war. Ich konnte es nicht ertragen, die gesunden Kinder und die glücklichen Familien zu sehen. Ich machte niemanden persönlich verantwortlich dafür, dass er gesunde Kinder hatte. Ich war einfach nur traurig, dass mich dieses Schicksal getroffen hatte.
    Manchmal grübelte ich stundenlang vor mich hin. Louise schlief noch sehr viel, und während dieser Zeit saß ich meist nur stumm auf dem Sofa. Ich wartete, dass Rolf von der Arbeit nach Hause kam, damit ich meine Sorgen und Ängste und den ganzen Kummer mit ihm teilen konnte.
    Von unserem Kinderarzt erfuhr ich, dass Kinder, die behindert oder entwicklungsverzögert waren, durch gewisse Therapien gefördert werden können. Er stellte mir ein Rezept für Krankengymnastik aus und empfahl mir, mich zusätzlich an eine so genannte Frühförderstelle zu wenden, um Louise dort anzumelden. Louise erhielt sogleich, im Alter von nur vier Wochen, einmal pro Woche Krankengymnastik, und wir hatten unseren ersten regelmäßigen Termin. Die Praxis lag in den Räumen der Kinderklinik, weshalb mich der erste Besuch zunächst Überwindung kostete.
    Louise wies eine sehr schlaffe Muskulatur auf, die aufgebaut werden musste. Zu Beginn der Behandlung zeigte mir die Krankengymnastin Conny Griffe, mit denen ich Louises Kopf besser halten, sie umdrehen oder hinlegen konnte. Conny hatte eine sehr einfühlsame Art. Sie sprach ruhig und fasste Louise sanft, aber bestimmt an. Die Krankengymnastik sollte einmal pro Woche beibehalten werden, so lange, bis Louise das Laufen erlernen würde. Unser Alltag erhielt dadurch ein wenig mehr Struktur, was zunächst hilfreich war. Die Besuche in der Kinderklinik waren bald schon Routine.
    Eines Tages las ich an einer Info-Wand in der Praxis die Ankündigung eines Babyschwimmkurses. Ich fragte meinen Kinderarzt, ob das auch etwas für Louise sei. Er erklärte mir, dass Babyschwimmen in jedem Fall gut für Louise sein würde. Sie würde dabei in ihren Bewegungen gefördert. Also stellte er mir ein Rezept für diese Therapie aus.
    Neben der Krankengymnastik ging ich mit Louise nun zu dem wöchentlichen Babyschwimmkurs im Bewegungsbecken der Klinik. Sven, der Kursleiter, war vom ersten Tag an in Louise vernarrt. Mehrmals sagte er mir: »Guck mal kurz weg, dann schnappe ich mir deine Kleine und nehme sie mit nach Hause!« Diese Worte taten mir gut. Da war jemand, der mein Kind niedlich fand und es haben wollte.
    Als Louise drei Monate alt war, kam einmal pro Woche eine Mitarbeiterin von der Frühförderung zu uns ins Haus. Bei der zuständigen Frühförderstelle unseres Landkreises hatte ich bald auf Empfehlung unseres Kinderarztes einen Antrag gestellt und sehr rasch die Bewilligung für die Fördereinheiten erhalten. Die Kosten für Therapien und Fördereinheiten übernahm zum Teil die Krankenkasse, den Rest zahlte das Sozialamt. Allein das Wort »Sozialamt« hatte mich zuerst zurückschrecken lassen, denn ich fühlte mich durch die Unterstützung von diesem Amt sozial abgestuft. Aber die Behörde war nun einmal für die Kostenübernahmen zuständig: »Eingliederungshilfe für Behinderte« hieß die Maßnahme. Ich musste mich wohl oder übel mit der Situation abfinden.
    Eine Stunde lang beobachtete und förderte Frau Hansen von der Frühförderung Louises geistige Entwicklung, ihre Wahrnehmung und ihr Spielverhalten. Diese spielerische Stunde sollte bis zum dritten Lebensjahr, oder bis Louise den Kindergarten besuchen konnte, beibehalten werden.
    Mir wurden die Termine allmählich zu viel, ich hielt sie aber ein, weil ich nichts falsch machen und jegliche Fördermöglichkeiten für Louise wahrnehmen wollte. Doch die ständigen Verpflichtungen belasteten mich.
    Alles drehte sich um Louise und ihre Förderung, den Haushalt und andere Pflichten erledigte ich nebenbei.
    Dass Louise ein sehr liebes Kind war, nahm ich nicht besonders wahr. Tatsächlich schrie sie nur selten, war meist zufrieden und munter und lachte viel. Doch die Sorgen waren dennoch groß. Louise erbrach häufig, was nach den Ärzten bei Kindern mit Down-Syndrom eben vorkommen kann. Und mit drei Monaten hatte sie zum ersten Mal heftige Hustenanfälle, Pseudokrupp. Es gab immer etwas, was nicht in Ordnung war.
    Auch nervenaufreibende Auseinandersetzungen mit Behörden gehören im Leben mit einem behinderten Kind zum Alltag. Bereits im frühen Kindesalter von Louise

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