Glück muß man haben
nahezutreten. Sie müssen sich einmal selbst ansehen, kritisch, ohne jede Illusion, und dann einen Vergleich mit unserer Tochter anstellen, wenn –«
»Ich wissen, was wollen sagen Sie«, unterbrach Wilhelm. »Marianne sein reich, ich arm.«
»Ja«, meinte Theodor trocken.
Reich war Marianne zwar durchaus nicht, reich war sie nur in Relation zu Wilhelm, und nichts anderes meinte Theodor auch.
»Ich darüber schon viel nachdenken«, gestand Wilhelm.
»Worüber?«
»Daß sein ich arm, und Marianne nicht.«
Theo horchte auf. Wenn der darüber schon nachgedacht hat, sagte er sich, ist das ja bereits ein Fortschritt. Vielleicht renne ich offene Türen bei ihm ein.
»In einer Ehe«, meinte er, »die halten soll, muß der Mann die Ansprüche der Frau, die sie gewöhnt ist, erfüllen können. Ich glaube, damit sage ich auch Ihnen nicht Neues.«
»Nein.«
»Marianne ist zwar keine Millionärstochter, aber sie hat ihre Garderobe, ihren Schmuck, und zum nächsten Geburtstag bekommt sie von uns auch den kleinen Wagen, von dem sie träumt, seit wir sie den Führerschein machen ließen. Sagen Sie ihr das aber nicht, denn das soll eine Überraschung für sie sein. Sie sehen also, was zu den Lebensgewohnheiten unserer Tochter gehört. Unsere Gastwirtschaft wirft das ab; sie geht gut, das werden Sie ja selbst schon bemerkt haben. Marianne ist unser einziges Kind. Im Grunde haben meine Frau und ich nur immer für sie gearbeitet. Wenn sie Schiffbruch erleiden würde, wäre das für meine Frau der Tod, das sagte ich Ihnen schon. Und sie dürfen das ernst nehmen. So, nun wissen Sie Bescheid.«
In äußerster Spannung wartete Theodor auf Antwort. Nun mußte es sich entscheiden, ob er offene Türen eingerannt hatte oder nicht. Wilhelm saß da und starrte vor sich hin. Mit tonloser Stimme wiederholte er schließlich: »Ich darüber schon viel nachdenken.«
Und nach einer weiteren Pause setzte er hinzu: »Auch noch nachdenken ich über andere Punkt.«
»Über welchen?« fragte Theodor.
»Daß glauben die Leute vielleicht, ich sein Mitgiftjäger.«
»Das kommt noch dazu«, meinte Theodor Berger, eifrig nickend.
Als er dann das Zimmer verließ, durfte er guter Hoffnung sein. Wie guter, das zeigte sich aber schon eine halbe Stunde später. Wilhelm kam die Treppe herunter und hatte sein ganzes Gepäck bei sich. Das war ja nicht soviel, daß er es nicht hätte schleppen können. Sein Hauptbesitz waren gute viertausend Mark, die er, seit er in Arbeit stand, schon zurückgelegt hatte. Sie lagen auf einem Konto der Städtischen Sparkasse.
»Herr Berger«, sagte er, »ich machen Weg frei für Glück von Ihre Tochter.«
Theodor jubilierte innerlich.
»Sie ziehen aus?«
»Ja.«
»Jetzt schon?«
»Ja.«
Das übertraf Theodors kühnste Erwartungen. Anstandshalber fragte er aber: »Wissen Sie denn wohin?«
»In Pension.«
»Sie kriegen von ihrer Vorauszahlung noch etwas zurück«, sagte Theo rasch, um zu verhindern, daß sich Wilhelm seinen Entschluß vielleicht noch einmal überlegen könnte, und er ließ der Ankündigung sogleich die Tat folgen, indem er den fälligen Betrag aus dem Portemonnaie holte. »Soll ich ein Taxi rufen?«
»Ja, bitte.«
Während Theo mit dem Telefon beschäftigt war, setzte sich Wilhelm auf einen Stuhl. Seine Züge waren wie versteinert, seine Augen erloschen.
»Noch einen Schnaps?« fragte ihn Theo.
»Nein, danke.«
»Auf meine Rechnung natürlich.«
»Nein.«
»Auch kein Bier?«
»Nein.«
Als das Taxi draußen hupte, richtete Theodor Berger eine letzte Frage an Wilhelm Thürnagel, die eigentlich unvermeidlich war: »Was soll ich Marianne sagen?«
Unendlich fremd blickte ihn Wilhelm an.
»Was Sie halten für richtig«, erwiderte er müde und ging.
»Alles Gute!« rief ihm Theodor nach.
Ein Echo erfolgte nicht. Wilhelm warf auch, als er ins Taxi kletterte, auf die ›Sonnenblume‹ keinen Blick mehr zurück.
Nachdem nun der volle Erfolg Theodors feststand, wäre zu erwarten gewesen, daß sich Freude breitgemacht hätte im Herzen des wackeren Kämpfers für die Belange seiner Tochter. Doch dem war nicht so. Nur einige Minuten lang befand sich Theo in Hochstimmung, dann fiel ihm ein, daß er sich den Fragen Mariannes zu stellen haben würde, und das rief Sorgenfalten auf seiner Stirn hervor. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild einer harten Nuß, die noch zu knacken war von ihm, und diese Erwartung erfüllte sich dann auch ganz und gar.
Sabines erste Frage nach ihrer Rückkehr galt
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