Glück muß man haben
gar nicht vorstellen, daß dein Kaffee oder Tee von Wilhelm noch einmal akzeptiert würde.«
»Hat er das gesagt?«
»Nein.«
»Na also.«
»Aber er denkt das. Alles andere wäre nicht normal. Und wenn du mich fragst, ich finde das absolut richtig von ihm.«
»Marianne, ich –«
»Du stehst unter dem Druck Vaters, ich weiß. Aber auch eigenes Dazutun kannst du nicht leugnen. Ihr dürft euch jedoch beide darauf verlassen, daß Wilhelms Zimmer möglichst bald wieder frei sein wird. Er selbst hat zwar wenig Zeit, auf Wohnungssuche zu gehen, aber ich werde ihm das abnehmen. Ich bin schon dabei.«
»Du?«
»Ja. Ich werde nicht ruhen, bis ich Erfolg habe. Für einen wie ihn ist das nicht so einfach. Aber dann«, sagte Marianne, »werdet ihr erleben, daß es auch für euch besser gewesen wäre, wenn er noch hier wohnen würde.«
»Wieso?«
»Weil ich sehr viel bei ihm sein werde, mehr als bei euch.«
Das traf Sabine mitten ins Herz. Tränen schossen ihr in die Augen. »Marianne«, sagte sie, »vergißt du denn, daß wir deine Eltern sind?«
Ganz ähnlich drückte sich Theodor aus, als ihm Sabine abends im Bett berichtete, was Marianne angekündigt hatte.
»Die denkt nicht mehr an uns«, meinte er, »sonst könnte sie dir so etwas nicht sagen.«
»Was sollen wir tun, Theo?«
»Fest steht, daß sie in ihr Unglück rennt, wenn wir das nicht verhindern.«
»Ich glaube, ich würde das nicht überleben. Sie ist doch unser einziges Kind.«
Theodor sagte eine Weile nichts. Dann stellte er das Ganze in einen globalen Rahmen, indem er grollend hervorstieß: »Diese Scheißpolitiker!«
Und als Sabine den Zusammenhang nicht erkannte, fuhr er fort: »Ihnen haben wir doch diese ganzen Aussiedler zu verdanken.«
Neun Tage später zog Wilhelm Thürnagel aus der ›Sonnenblume‹ aus, und zwar Hals über Kopf. Theodor Berger hatte zum letzten Mittel gegriffen.
Dieses Mittel bestand darin, dafür zu sorgen, daß Frau und Tochter wieder einmal zum Einkaufen nach Essen fuhren. Das bedeutete, daß sie außer Haus waren. Theodor verschaffte sich so die Gelegenheit, ungestört mit Wilhelm zu sprechen, besser gesagt, ihn sich ›vorzuknöpfen‹. Dazu suchte er ihn in seinem Zimmer auf und fackelte nicht lange, indem er, nachdem ihm der überraschte, ja sogar ein bißchen verstörte Wilhelm einen Platz angeboten hatte, begann: »Es geht um Marianne …«
Wilhelm wußte in seiner Verwirrung nicht gleich, was er sagen sollte. Er suchte nach einer Antwort. Das dauerte Theo zu lange.
»Ich lasse nicht zu, daß Sie sie ins Unglück stürzen«, fuhr er fort, »und daß Sie dadurch auch noch meine Frau ins Grab bringen. Das hat die mir nämlich schon angekündigt.«
Wilhelm verlor jäh alle Farbe.
»Herr Berger … ich … ich«, stotterte er, »lieber sterben selber als … als wollen das.«
»Dann Finger weg von unserer Tochter!«
»Finger weg?« In Wilhelms Augen glomm plötzlich ein gefährliches Licht. »Ich nicht gerne hören solche Worte in diese Zusammenhang, auch nicht von Ihnen, Herr Berger. Waren noch nicht meine Finger an Ihrer Tochter.«
»Sie verstehen das falsch«, sagte Theodor rasch, dem blitzartig klar wurde, daß hier kein Tiger gereizt werden durfte. »Im Deutschen hat diese Redewendung nicht den Sinn, den Sie ihr momentan geben.«
»Welchen Sinn dann?«
»Daß Sie sich Marianne aus dem Kopf schlagen sollen.«
»Vergessen?«
»Am besten das, ja.«
»Sein das unmöglich.«
»Wieso?«
»Weil ich lieben sie«, sagte Wilhelm lächelnd. Er hatte sich wieder beruhigt.
»Wenn das stimmt«, erklärte Theo, der mit einem festen Entschluß hierhergekommen war und sich durch nichts von diesem abbringen lassen wollte, »dann verpflichtet es Sie erst recht dazu, Marianne nicht unglücklich zu machen.«
»Ich nicht verstehen, was Sie meinen. Sprechen sie.«
Theo räusperte sich, ehe er begann, Wilhelm klaren Wein einzuschenken.
»Sehen Sie, Herr Thürnagel, das ginge nicht gut mit Ihnen und Marianne. Ich will gar nicht verhehlen, daß Marianne heute vom Gegenteil überzeugt ist – und sie, wie Sie mir sagen, sowieso auch. Aber was könnte denn dabei herauskommen, wenn ihr zwei nicht aufhört, einander nachzulaufen? Eine Ehe, denken Sie sicher. Aber was für eine Ehe! Eine, die nach kürzester Frist schiefgehen müßte. Und warum? Weil ihr zwei einfach nicht zusammenpaßt. Der Unterschied zwischen euch ist zu groß, in jeder Beziehung. Ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine, damit es mir erspart bleibt, Ihnen
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