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Glück muß man haben

Glück muß man haben

Titel: Glück muß man haben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Blatt zu wenden, und derjenige, welcher sozusagen den nassen Finger in den Wind hielt, war wieder der unverwüstliche Stummel. Er erklärte: »Meine Herren, die Brotfritzen fangen an, unter Starkstrom gesetzt zu werden.«
    Wilhelms erster Vorstoß in die gegnerische Hälfte verpuffte nur deshalb, weil Wilhelm auf sich allein gestellt war. Kein eigener Mitspieler begleitete ihn, um ihn zu unterstützen. Alle waren sie zu überrascht von diesem Novum im Spiel, hatten sie sich doch daran gewöhnt, ausschließlich auf Defensive fixiert zu sein. Sie blieben deshalb hinten stehen und schauten zu, wie Wilhelms Solo damit endete, daß ihn zwei Bäcker vor ihrem Strafraum an den Armen und am Hemd festhielten und ihm ein dritter letztlich auch noch, wie es in der Fachsprache heißt, ›die Beine wegzog‹. Der Schiedsrichter zeigte drei gelbe Karten für ein und dasselbe Foul – auch ein Novum – und mußte sich dabei das Lachen über Wilhelms zerrissenes Hemd verbeißen. Den fälligen Freistoß schoß Wilhelm selbst knapp übers Tor.
    Das Ganze passierte in der 72. Minute. Sieben Minuten später erzielten die Elektriker den Anschlußtreffer. Unter Wilhelms Führung waren sie aufgewacht und hatten auf Offensive umgeschaltet. Der Anschlußtreffer, der ihnen glückte, stellte für sie das berühmte Blut dar, das sie lecken mußten, um in der Endphase des Spiels noch die Niederlage abzuwenden. Alles in die Waagschale werfend, stürmten sie mit sämtlichen zehn Feldspielern nach vorn – nur Udo hielt sich noch in seinem Tor auf – und zwangen den Bäckern einen Abwehrkampf auf, der ihrem eigenen, den sie selbst zu führen gehabt hatten, in nichts nachstand. In der 89. Minute fiel der Ausgleich. Beide Tore gingen auf Wilhelms Konto. Das erste köpfelte er nach einem Eckball. Das zweite entsprang einem Gewaltschuß von ihm aus 25 Metern. Seine Mitspieler bildeten einen Berg von Leibern, unter dem sie ihn beim Gratulieren begruben. Ein Wunder, daß er nicht erstickte.
    Stummel flippte aus. »Den trage ich vom Platz!« verkündete er in überschäumender Begeisterung. Alle lachten. Das wäre nämlich nichts anderes gewesen, als wenn ein Pony sich ein Turnier-Springpferd hätte aufladen wollen. Stummel beließ es also, nachdem der Schiedsrichter wenige Augenblicke später den Abpfiff hatte ertönen lassen, doch lieber bei seiner Ankündigung. Er stürmte aber nach dem Spiel als erster auf den Platz und ließ es sich nicht nehmen, Wilhelm bis zur Tür der Umkleidekabine das Geleit zu geben, wobei er ihm immer wieder auf die Schulter zu klopfen versuchte, was jedoch infolge der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den beiden auch mit Schwierigkeiten verbunden war. Außerdem mußte er ständig kämpfen, um von anderen, die auch dem Bedürfnis erlagen, mit Wilhelm in Tuchfühlung zu kommen, nicht abgedrängt zu werden.
    In dem Gewoge des Pulks, der Wilhelm umgab, rief einer: »Der gehört ja zu Schalke!«
    Dieses Wort ging im allgemeinen Begeisterungstaumel unter, hätte es aber verdient gehabt, festgehalten zu werden.
    Unter der Dusche hielt Wilhelm die Augen geschlossen und öffnete sie erst, als er merkte, daß der Mann neben ihm ihn angesprochen hatte und eine Antwort erwartete. Im Dampf des heißen Wassers erkannte er Udo, den Mannschaftskapitän.
    »Was sagtest du?« fragte er ihn. Er mußte schreien, um das Rauschen des Wassers aus zahlreichen Brausen ringsum zu übertönen.
    »Wo du lieber im Bus sitzt, vorn oder hinten?«
    »In welchem Bus?«
    »In unserem. Die Firma hat ihn gemietet. Wir fahren morgen nach Rüdesheim. Das ist schon lange abgemacht.«
    »Was soll ich dabei?«
    Udo wollte nicht mehr länger brüllen wie ein Stier und stellte das Wasser seiner Brause ab.
    »Hör mal«, sagte er dann, »du gehörst doch jetzt zur Mannschaft. Verstehst du, wir machen diese Fahrt, und die Firma bezahlt sie, Ehefrauen oder Freundinnen inklusive.«
    »Nett von der Firma«, meinte Wilhelm, nun auch seinen Hahn zudrehend. »Aber mich betrifft das nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich eben nicht zur Mannschaft gehöre. Für mich war das heute das erste und das letzte Spiel. Ihr habt einen gebraucht, der einspringt, und das tat ich – damit basta!«
    Udo riß die Augen auf, er schaute Wilhelm an wie einen Geistesgestörten und stellte ihm zugleich auch die Frage, die mit seinem Blick übereinstimmte.
    »Bist du verrückt?«
    »Wieso?«
    Udo wandte sich an alle. Um von jedem verstanden zu werden, mußte er wieder

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