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Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Reza
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Geist des Wohlwollens, jedenfalls von meiner Seite, in einem Geist, ich suche nach dem Wort, der Kompromissbereitschaft, die ist seit langem vorbei. Einmal haben wir zusammen die Offenen Französischen Mixed-Meisterschaften gewonnen, das war ein glücklicher Zufall. Seitdem hat unsere Verbindung in keiner Weise mehr geglänzt, dafür aber meine Herzkranzgefäße versaut. Als ich Hélène kennenlernte, konnte sie noch kein Bridge spielen. Ein Freund nahm sie in ein Café mit, wo nachts gespielt wurde. Sie machte damals eine Ausbildung zur Sekretärin. Sie setzte sich also hin und sah zu. Sie kam wieder. Ich habe ihr dann alles beigebracht. Mein Vater war Maschinenbautechniker bei Renault, meine Mutter Näherin. Hélène stammte aus dem Norden. Ihre Eltern waren Arbeiter in der Textilbranche. Heutzutage ist das für die kleinen Leute alles zugänglicher geworden, aber damals gab es Leute wie uns in den Klubs nicht. Bevor ich alles für das Spiel aufgab, war ich Chemieingenieur bei Labinal. Tagsüber in Saint-Ouen, abends im Darcey an der Place Clichy, dann in den Klubs. Am Wochenende im Hippodrome. Die kleine Hélène kam mit. Die Spielleidenschaft lässt sich nicht vermitteln. Dafür gibt es im Gehirn eine Extra-Schublade. Eine Schublade Karten . Wer die nicht hat, hat sie eben nicht. Da kann man so viel Unterricht nehmen, wie man will, nichts zu machen. Hélène hatte sie aber. Auf der Kurzstrecke schlug sie sich anständig im Spiel. Frauen können sich auf der Langstrecke nicht konzentrieren. Nach dreizehn Jahren Bridge, jeder für sich, wacht Hélène eines schönen Morgens auf und schlägt vor, wir sollten das Turnier von Juan-les-Pins nochmal gemeinsam machen. Juan-les-Pins, der blaue Himmel, das Meer, eine Erinnerung an ein Gasthaus in Le Cannet, sie hatte Gott weiß welche Bilder im Kopf. Ich hätte nein sagen sollen und sagte ja wie jeder alternde Mann. Bei der Hand 17 ereignete sich das Drama. Pik-Fünf von Nord-Süd gespielt. Ich spiele die Karo-Zwei aus, klein vom Dummy, Ass von Hélène, klein. Hélène zieht ihr Treff-Ass, Nord legt klein, ich habe drei Treff zum König und lege die Neun, klein vom Dummy. Was macht Hélène ? Was macht eine Frau, der ich alles beigebracht habe und die man inzwischen als Pik-​Spielerin einstufen kann ? Sie spielt Karo zurück. Ich habe die Treff-Neun gelegt, und Hélène spielt mir Karo zurück ! Wir hatten drei Topstiche und haben nur zwei gemacht. Am Ende der Partie zeigte ich meinen Treff-König und schrie, wo soll ich den jetzt hintun ? Soll ich ihn auffressen ? Willst du mich umbringen, Hélène ? Soll ich hier mitten im Kongresszentrum einen Herzanfall kriegen ? Ich wedelte ihr mit der Karte vor der Nase herum und stopfte sie mir dann ins Maul. Ich fing an zu kauen und brachte noch heraus, hast du meine Treff-Neun nicht gesehen, du Idiotin, glaubst du, ich spiele die Neun zum Spaß ? Hélène war erstarrt. Die Gegner waren erstarrt. Das setzte mich erst recht unter Strom. Wenn man Pappe isst, wird einem ziemlich schnell schlecht, aber ich legte los, was die Kiefer hergaben, und konzentrierte mich aufs Kauen. Dann bemerkte ich eine Bewegung in der Nähe, hörte ein Lachen, und dann sah ich das Gesicht meines Freundes Yorgos Katos näher kommen, das ist ein alter Freund von der Place Clichy. Yorgos sagte, was machst du denn da, Raoul, spuck den Scheiß aus, Alter. Ich sagte, unter großen Mühen, weil ich gerade unbedingt diesen Treff-König runterschlucken wollte, wo hat die ihren weißen Stock hingetan, hm ? Hol deinen weißen Stock raus, du dumme Kuh ! Yannis sagte – glaube ich jedenfalls –, jetzt reg dich mal nicht so auf, Raoul, es ist nur ein Turnier, ein Spaß für den Strand. Das ist der letzte Satz, an den ich mich erinnern kann. Ich hörte, wie der Schiedsrichter gerufen wurde, der Tisch schwankte, Hélène stand auf und streckte die Arme aus, ich wollte ihre Finger erwischen, und dann schwebte sie mit den anderen im Kreis um meinen Kopf, ich spürte die Berührung anderer Körper, mir wurde übel, ich reiherte über den Spieltisch, und dann nichts mehr. Aufgewacht bin ich in einem anisgrünen Raum, den ich nicht kannte und der sich als unser Hotelzimmer entpuppte. Drei Leute flüsterten auf der Türschwelle, Yorgos, Hélène und ein Unbekannter. Dann ging der Unbekannte weg. Yorgos warf einen Blick aufs Bett und sagte, er erwacht zu neuem Leben. Yorgos hat dieselben Haare wie Joseph Kessel. Eine Art Löwenmähne, die den Frauen

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