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Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Reza
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gefällt und die mich neidisch macht. Hélène kam an mein Bett gestürzt, wie geht es dir ? Sie streichelte mir lieb über die Stirn. Ich sagte, was ist los ? – Weißt du nicht mehr ? Du hast gestern Abend beim Turnier einen kleinen Nervenzusammenbruch gehabt. Du hast einen Treff-König gefressen, sagte Yorgos. – Ich hab einen Treff-König gefressen ? Ich richtete mich versuchsweise auf, was mir furchtbar anstrengend vorkam. Hélène schüttelte meine Kissen auf. Ein Sonnenstrahl fiel auf ihr Gesicht, sie war so hübsch wie immer. Ich sagte, meine kleine Bilette. Sie lächelte mich an, der Arzt hat dir ein Beruhigungsmittel gespritzt, Rouli (unter uns nennen wir uns Bilette und Rouli). Yorgos machte das Fenster auf. Man hörte Kindergeschrei und Zirkusmusik. Sofort kamen, was weiß ich warum, verschüttete Bilder in mir hoch, die leere Zirkusarena des Badeortes, wo wir hinfuhren, als ich klein war, der Leierkasten, der graue Himmel. Wir waren auf dem Campingplatz. Ich wartete unter dem Vordach der Trinkhalle auf das Ende des Tages und sah den Tieren zu, die im Kreis liefen. Da befiel mich heftige Traurigkeit. Ich dachte, holla, was hat mir denn dieser irre Doktor gegeben ? – Ich geh dann mal, sagte Yorgos. Du musst heute im Bett bleiben. Morgen kannst du spazieren gehen. Das wird dir guttun, ein bisschen Natur, eine Nase voll Seeluft. Yorgos hab ich in einem Bistro Ecke Batignolles kennengelernt. Wir waren zwanzig. Wenn das Darcey zumachte, um zwei Uhr früh, dann zogen wir ins Pont Cardinet weiter. So haben wir ein ganzes Leben weitergemacht, als gäbe es kein Morgen. Vom Klub ins Bett und vom Bett in den Klub. Wir spielten alles, Poker, Backgammon, und in den Hinterzimmern wurden die anderen von uns ausgenommen wie die Mastgänse. Beim Bridge hatten wir Spaß, wir absolvierten die ersten großen internationalen Meisterschaften zusammen. Er war der letzte, der mir Natur und Spazierengehen hätte empfehlen können. Warum nicht gleich das Grab auf Rezept ? Ich sagte, was ist passiert ? Ist es ernst ? – Weißt du es nicht mehr, Rouli ?, sagte Hélène. – Nicht so ganz, antwortete ich. Yorgos meinte, viel Glück, meine Große. Er umarmte Hélène und ging. Hélène brachte mir ein Glas Wasser. Sie sagte, du hast dich am Ende einer Hand aufgeregt. – Warum sind wir nicht beim Turnier ? – Die haben uns rausgeschmissen. Ich weiß nicht, was mit dieser Zirkusmusik los ist, diesem Leierkastengedudel, dass sie einen so übel runterzieht. Ich sagte, mach das Fenster zu, Bilette, und die Vorhänge auch, ich schlaf noch ein bisschen. Am nächsten Tag um die Mittagszeit wachte ich dann richtig auf, als Hélène gerade mit lauter Päckchen und einem neuen rosa Strohhut aus der Stadt kam. Sie fand, ich sehe richtig gut aus. Und sie wirkte ganz aufgekratzt von ihren Einkäufen, sie sagte, wie findest du den, nicht zu groß ? Es gab auch welche mit einfarbigen Bändern. Ich kann ihn umtauschen lassen, wir müssen sowieso noch mal hin und dir auch einen kaufen. Ich sagte, einen Strohhut wie die alten Männer, was denn noch alles ? Hélène sagte, die Sonne knallt, willst du dir zu allem noch einen Sonnenstich holen ? Eine Stunde später saß ich mit neuer Brille und einem Flechthut draußen vor einem Café in der Altstadt. Hélène hatte einen Touristenführer gekauft und kam auf jeder Seite mehr in Fahrt. Währenddessen kreuzte ich diskret in meiner Rennzeitschrift Paris Turf die Pferde an, die mir gefielen (kaufen durfte ich das Blatt, aber nicht drin lesen). Und dann brachte sie die Affäre plötzlich wieder aufs Tapet. Sie sagte, ich fand es nicht so toll, dass du mich vor allen Leuten eine Idiotin genannt hast. – Ich hab dich eine Idiotin genannt, meine Bilette ? – Vor allen Leuten, ja. Sie zog eine kindische Schmollschnute. Das ist aber wirklich nicht nett, sagte ich. – Und der weiße Stock, das war wirklich widerlich von dir, man kann doch nicht zu seiner Frau sagen, jetzt hol mal deinen weißen Stock raus, du dumme Kuh, vor fünfhundert Personen. – Vor fünfhundert Leuten, jetzt übertreibst du aber. – Alle wissen Bescheid, alle. – Ich hab da wirklich neben mir gestanden, Bilette, das hast du doch gesehen. – Trotzdem beunruhigend, dass du diese Karte gegessen hast. Ich zuckte die Achseln und zog den Kopf ein, wie ein Mann, der sich schämt. Es war heiß. Vor uns liefen die Leute in ihrer locker sitzenden Kleidung und mit Segeltuchtaschen, Kinder aßen Eis, die Arme der

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