Glücklich gestrandet
Mutter nicht zu erzählen, wo ich hinfahre.«
»Also«, sagte Dora, als sie im Zug saß. Das wäre schon mal geschafft.«
»Die öffentlichen Transportmittel in Holland sind große Klasse, nicht wahr?«
»Hmhm. Und so sauber.« Sie hielt inne. »Meinst du, ihre Festivals werden genauso sauber und gut organisiert sein?«
Tom lächelte sie schelmisch an. »Du freust dich nicht besonders auf diese ganze Geschichte, oder?«
»Hm …«
»Als du so getan hast, als wärst du enttäuscht, warst du in Wirklichkeit erleichtert, nicht wahr?«
Ein schuldbewusstes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Ein wenig.«
»Mach dir keine Sorgen. Du wirst dich bestens amüsieren, und dann brauchst du nur noch zwei weitere Mutproben zu bestehen.«
»Oh, diese verflixten Mutproben«, gab sie lachend zurück. »Worin werden sie bestehen?«
»Das habe ich noch nicht entschieden.« Er sah sich hochmütig um.
»Sie sollten nicht zu schwer sein.« Sie dachte mit einem gewissen Maß von Entsetzen an den Karaoke-Abend zurück. »Bisher warst du ziemlich gemein.«
»›Gemein‹«, wiederholte er voller Zuneigung. »Ich liebe die Art, wie du dich ausdrückst. Jeder andere hätte gesagt, ich sei ein ›Mistkerl‹ gewesen.«
Dora lächelte. »Ich bin sehr ordentlich erzogen worden.« Sie konnte nicht umhin zu bemerken, dass ihr Herz bei dieser schwachen Zurschaustellung von Zärtlichkeit einen kleinen Satz tat.
Irgendwann zwischen Eds Sturz ins Wasser und dem Rest der Reise hatten Doras Gefühle sich verändert. Ob sie Tom schon immer auf diese Weise gemocht und es nur geleugnet hatte oder ob es an seinem heldenhaften Handeln oder gar an Caroles offenkundigem Interesse an ihm lag – Dora wusste jetzt, dass sie in ihm mehr als nur einen Freund sah. Sie hatte allerdings keine Ahnung, wie er für sie empfand. Betrachtete er sie immer noch als so etwas wie eine kleine Schwester?
»Das habe ich bemerkt«, erwiderte er auf Doras letzte Bemerkung. »Also, warum machst du nicht ein Nickerchen, solange du die Gelegenheit dazu hast? Wenn wir erst dort sind, wirst du kaum noch zum Schlafen kommen.«
»Aber ich möchte aus dem Fenster schauen und mir Holland ansehen.«
»Nun, nur zu! Aber wenn du etwas schlafen kannst, würde ich dir dazu raten. Und keine Bange«, fügte er hinzu, »ich werde dafür sorgen, dass wir unsere Haltestelle nicht verpassen.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich eingedöst bin«, murmelte Dora, während sie im Eingangsbereich warteten, um aus dem Zug zu steigen.
»Die Reise war gegen Ende ein wenig hektisch«, erwiderte Tom, »vor allem, nachdem Ed ins Meer gefallen ist.«
»Wir haben nicht viel darüber geredet, nicht wahr? Wenn man bedenkt, wie schrecklich es war.«
Tom schüttelte den Kopf. »Nein. Ed dachte, er sei unvorsichtig gewesen, und Marcus meinte, es sei seine Schuld gewesen, weil er wusste, dass der Riegel lose war.«
»Ich verstehe nicht, warum einer der beiden Männer sich Vorwürfe machen sollte, es war einfach ein Unfall.«
»So etwas darf es in ihren Augen nicht geben. Trotzdem, wir brauchen nicht länger darüber nachzudenken, wir sind da!«
Jedwede Befürchtungen, dass sie das Festival vielleicht nicht würden finden könnten, verebbten in dem Moment, als sie aus dem Bahnhof traten. Es waren überall Schilder und Flaggen zu sehen, und es stand ein Sonderbus bereit.
»Das läuft alles so gut! Ich kann nicht glauben, wie einfach es war, hierherzukommen«, bemerkte Dora, während sie durch den Bus stolperten.
»Hm, bisher gab es keine Probleme«, meinte Tom.
»Was?« Sein Tonfall weckte ihre Aufmerksamkeit; irgendetwas verschwieg er ihr. »Was ist los?«
»Hm, du erinnerst dich daran, dass ich erzählt habe, mein Freund hätte Eintrittskarten für das Festival?«
»Ja?«
»Nun, wir haben keine Karten. Wir müssen über den Zaun klettern.«
Dora fragte sich, ob sie jemals wieder mit Tom würde sprechen können, so wütend war sie. Er erhöhte den Angstfaktor bei einer Wette, die bereits gewaltig war. Es war einfach zu viel! Sie zwang sich, ein paar Mal tief durchzuatmen.
»Tom, das kann ich nicht! Ich kann nicht einfach ungeladen in ein Festival platzen. Du kannst mich einen Feigling nennen, aber ich kann einfach nicht da reingehen, ohne zu bezahlen. Das ist Diebstahl.« Sie sah sich schon in einer ausländischen Gefängniszelle sitzen. Was würde ihre Mutter sagen? Sie würde ihr niemals verzeihen.
Tom wehrte ihre Entrüstung ab. »Meine Güte, Dora! Du reagierst wohl ein
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