Glücklich gestrandet
töricht vor.
»Deinen was?«
»Du weißt schon, es ist ein Ding, das man an seinem Gürtel trägt oder in meinem Fall im Schlüpfer …« Oh, warum hatte sie bloß ihren Schlüpfer erwähnt? Sie gingen ihn nichts an! »Man soll zehntausend Schritte am Tag gehen, aber es ist wirklich schwierig, weil der Schrittzähler nicht jeden Schritt registriert«, faselte sie weiter. »Das ist sehr frustrierend.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Jo beschloss, für eine Weile Stillschweigen zu bewahren. Es gelang ihr, bis sie eine Straße voller wunderbar schiefer, alter Häuser und Antiquitätenläden erreichten. »Oh, himmlisch!«, rief sie. »Sieh dir nur an, wie diese Häuser sich über die Straße neigen! Es ist ein Wunder, dass sie nicht umkippen! Und diese Fenster! Glaubst du, sie haben auf der Innenseite Fensterläden? Sonst würden die Wohnungen im Winter nicht warm bleiben. Und schau dir die Läden an! Kann ich auf die andere Straßenseite gehen?«
Sie hatte vergessen, dass sie mit dem »beängstigenden Marcus« zusammen war, sonst hätte sie niemals vorgeschlagen, quer über die Straße zu laufen und von einem Schaufenster zum anderen zu streifen.
»Hat Dora recht, dass es in Holland tolle Flohmärkte gibt?«, fragte sie.
»Allerdings.« Marcus klang erheitert, als hätte er es mit einem kleinen Kind zu tun, aber Jo fand es liebenswert.
»Ich habe gerade angefangen, kleine Ziergegenstände für Mirandas Laden zu reparieren …«
»Ich weiß.«
»… und wenn ich hier drüben selbst einige solcher Dinge finden könnte, wäre es nicht gar so eine Zeitverschwendung gewesen.«
»Zeitverschwendung?« An seinen Augenwinkeln erschienen kleine Fältchen, während er auf sie hinabblickte.
Sie sah lächelnd und ein wenig kläglich zu ihm auf. »Hat das unhöflich geklungen? Das sollte es nicht, aber du weißt, was ich meine.«
»Du meinst, es wäre unaussprechlich langweilig, mit mir in Holland nur untätig herumzuhängen.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein Lächeln zu unterdrücken. »Oh, nein, ich könnte es durchaus aussprechen, doch das wäre unhöflich. Schließlich bist du praktisch der heilige Marcus der Plattbodenschiffe, Quell allen Wissens und aller Fähigkeiten in diesem Bereich.«
Er kicherte, und Jo wurde klar, dass ihn wahrscheinlich nicht allzu viele Leute aufzogen. Die Männer hatten alle zu große Ehrfurcht vor seinen Fähigkeiten als Skipper, und die Frauen waren zu erpicht darauf, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Wie wunderbar, dass sie über all dem stand!
Aber ihre Selbstgefälligkeit war kurzlebig. »Ich versichere dir, ich habe noch andere Fähigkeiten.«
Seine Miene war vollkommen erst; nichts ließ darauf schließen, dass er sie neckte, obwohl es so war, und Jo konnte in diesem Augenblick nicht reagieren. Sie vertiefte sich ganz in die Betrachtung eines vollkommen gewöhnlichen elektrischen Kessels, der mitten in einer Ansammlung alter Radios stand, und bemühte sich, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Warum war sie in Marcus’ Gegenwart nur so gehemmt? Schließlich war sie doch ziemlich erwachsen, und ihre gesellschaftlichen Fähigkeiten waren durch jahrelange Erfahrung geschliffen. Was also war das Problem, wenn er bei ihr war?
»Wo ist denn dieses Restaurant?«, erkundigte sie sich und nahm sich vor, ihn gleich nach ihrer Ankunft dort dazu zu bringen, über sich selbst zu sprechen. Dann würde sie für den Rest des Abends nur zu nicken und gelegentlich zu murmeln brauchen. Es würde der reinste Spaziergang werden.
Das Restaurant lag im alten Teil der Stadt in einem der schmalen, schiefen Häuser, die Jo so sehr bewundert hatte. Draußen auf der Bank saß eine Schaufensterpuppe, die wie eine alte Dame gekleidet war. Der Name des Restaurants bedeutete übersetzt »Omas Küche«, erklärte Marcus ihr. Sie gingen hinein.
Zu den vielen Freuden Hollands gehörte es, dass jeder Englisch sprach, dachte Jo und schämte sich ein wenig für ihre Unfähigkeit, auch nur den simpelsten Satz auf Holländisch hervorzubringen. Sie wurden von einer schönen jungen Frau, die enge Jeans und eine winzige Schürze trug, in den Essbereich geführt. Ein kleiner Teil von Jo seufzte vor Neid.
Kurz darauf vertieften sie sich in die Speisekarten. »Es hat ziemliche Ähnlichkeit mit Sudoku, nicht wahr?«, bemerkte Jo. »Zu versuchen herauszufinden, um welche Gerichte es sich dabei handelt. Natürlich wird dieses entzückende Mädchen es uns verraten, aber es macht Spaß, selbst festzustellen, ob
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