Glücklich gestrandet
irgendetwas einen Sinn ergibt.«
»Ich glaube, die Desserts sind leichter zu entschlüsseln als die Hauptgänge«, bemerkte Marcus nach einer Weile. »Ich weiß zum Beispiel zufällig, dass ›Dame Blanche‹ die holländische Bezeichnung für Eiscreme mit heißer Schokolade ist.«
Jo las die Beschreibung. »Oh ja, das kann man verstehen, vor allem, wenn man bereits weiß, was es ist.« Sie blickte lächelnd zu ihm auf. »Was, glaubst du, ist slag?«
»Schlagsahne.«
Jo seufzte. »Ich weiß, es ist schrecklich ungesund, aber ich liebe Sahne zum Eis, besonders die dünne Schicht, die an dem kalten Eis hart wird. Eins von den Desserts, von denen die Leute sagen, sie seien besser als Sex.« Hoppla! Sie war für einen Augenblick unvorsichtig geworden und hatte wieder etwas Törichtes von sich gegeben. Jo versuchte, einen Rückzieher zu machen. »Ich hasse diesen Ausdruck, du nicht auch? Ich meine, um vier Uhr nachmittags zieht man vielleicht wirklich einen Schokoladenriegel oder etwas in der Art vor, aber einige Stunden später – nun, ich würde keine Schokolade wollen.« Farbe stieg in ihr auf wie das Meer in den Niederlanden, in einer einzigen unaufhaltsamen Welle. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, was die Ursache dafür war, hätte sie es diesmal tatsächlich für eine Hitzewelle gehalten.
»Ich freue mich sehr, das zu hören.«
Eine Art Krächzen kam aus Jos Kehle, und sie griff nach ihrem Wasser.
»Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen. Ich habe dich in Verlegenheit gebracht«, bemerkte er.
Sie leerte das Glas.
»Es hätte geholfen, wenn du das Thema Sex gar nicht erst aufgebracht hättest. Daher musst du deinen Anteil an der Verantwortung übernehmen.«
Sie schluckte und riss sich zusammen. »Eigentlich habe ich nur über Desserts gesprochen.«
»Sobald das Wort erst einmal sozusagen in die Arena geworfen wurde, ist es ziemlich schwer, es wieder herauszubekommen.«
Sie seufzte. »Das habe ich auch gerade entdeckt.«
Er zog eine Augenbraue hoch und blickte dann wieder auf seine Speisekarte, ohne noch etwas hinzuzufügen.
Irgendwo in Jos Solarplexus flackerte ein Gefühl innerer Wärme auf. Ihr Radar in puncto Männer war eingerostet – sie war sehr dumm, wenn es darum ging zu bemerken, wann man ihr den Hof machte, doch selbst sie hatte das Gefühl, dass hinter seinem Flirt vielleicht mehr steckte.
Er blickte auf und sah ihr lange Sekunden in die Augen, bevor er fragte: »Was möchtest du essen?«
Ein Lachen stieg in ihr auf und enthüllte sich nur geringfügig. Sie vertiefte sich wieder in die Speisekarte.
Die Besitzerin erschien. »Hey«, meinte das Mädchen auf Englisch mit einem entzückenden Akzent. »Haben Sie sich schon entschieden? Soll ich Ihnen die Speisekarte erklären? Oder darf ich Ihnen etwas über unser Spezialgericht heute Abend erzählen? Frischer holländischer Spargel mit Schinken und Eiern. Sehr traditionell.«
»Das klingt wunderbar«, antwortete Jo, sehr erleichtert darüber, dass ihr die Entscheidung aus den Händen genommen worden war.
»Ich nehme das Gleiche«, erklärte Marcus, »und könnten wir bitte eine Weinkarte bekommen?«
Alkohol, das war es, was sie brauchte – etwas angetrunkenen Mut. Jo entspannte sich genug, um sich umsehen zu können. Der Raum war wie eine alte holländische Küche eingerichtet. An einer Wand stand ein Regal mit Kochbüchern, einem alten Radioapparat, einer Kaffeemühle und einer Käsereibe darauf. In einer anderen Ecke waren Bilder direkt auf die Wand gemalt, und überall fanden sich einfache Haushaltsgegenstände, die gleichzeitig dekorativ und erheiternd waren. Über der Treppe zum oberen Raum prangte ein Ständer mit sehr authentisch aussehender Unterwäsche.
Unerwarteterweise fühlte Jo sich nicht verpflichtet, Konversation zu machen. Sie saß einfach nur da und fragte sich, ob sie die Signale, die Marcus auszusenden schien, falsch interpretiert hatte. Konnte er wirklich versuchen, ihr Avancen zu machen? Sie hoffte, den Wein bald bestellen zu können.
Marcus holte seine Lesebrille hervor, um die Karte zu prüfen, als sie gebracht wurde. Jo, die in den letzten Minuten kaum gewagt hatte, auch nur in seine Richtung zu sehen, konnte nicht umhin zu bemerken, dass sie Männer mit Brille immer sehr attraktiv gefunden hatte. Karen ging es genauso, und sie hatten über dieses Phänomen diskutiert. Ihre Tochter, die eine gute Beschäftigung für ihr Gehirn darstellte – Karen konnte sie aus Schwierigkeiten heraushalten, ohne
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