Glücklich gestrandet
am Telefon erklärt, als er angerufen hatte, um sich davon zu überzeugen, dass sie sich eingelebt hatte.
Und jetzt hatte sie Dora. Wenn die Situation der Jüngeren nicht so verzweifelt gewesen wäre, hätte sie ihre Tochter Karen verdächtigt, ihr Dora untergeschoben zu haben. Obwohl Jo nicht direkt einsam gewesen war, war sie doch darauf programmiert, sich um Menschen zu kümmern. Eine Ersatztochter mit gebrochenem Herzen war genau das, was sie brauchte.
Schon bald würde sie darüber nachdenken müssen, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Philip hatte ihr eine ziemlich große Summe Geld gegeben, und sie betrachtete dies als eine Art Abfindung. Sie hatte keine Bedenken gehabt, das Geld anzunehmen. Wenn die Scheidung über die Bühne gegangen war, würde ihr wahrscheinlich zumindest ein Teil des Wertes zustehen, den das Haus hatte, aber bis dahin wollte sie ihr Kapital möglichst unangetastet lassen. Und obwohl Dora ihrem Leben eine Art Mittelpunkt gab, brauchte sie noch so etwas wie eine Beschäftigung. Seit ihrer Ankunft auf dem Boot hatte sie ihre Freizeit damit verbracht, die ursprünglich dem Schiffer zustehende Kabine – jetzt ihr Schlafzimmer – neu zu streichen. Dies war eine mühsame Beschäftigung, der sie meistens dann nachging, wenn etwas Gutes im Radio lief. Zuerst hatte sie in größerem Umfang abschleifen, schmirgeln und spachteln müssen. Mit dem eigentlichen Streichen hatte sie erst kürzlich begonnen. Sie betrachtete diese Arbeit als Entschädigung für die ziemlich niedrige Miete, die Michael von ihr verlangte. Aber irgendwann, das wusste sie, würde sie sich einen Job suchen müssen.
Das Problem war, dass sie mit ihren fünfzig Jahren buchstäblich unvermittelbar war. Sie hatte nicht die Universität besucht, sondern hatte stattdessen an einem Sekretärinnenkursus teilgenommen. Anschließend hatte sie Bürojobs gehabt. Aber ihre damals erworbenen und in der Praxis geübten Fertigkeiten waren heute nichts mehr wert. Selbst wenn sie zuerst einen Computerkurs besuchte, würde niemand sie einstellen, weil ihr letzter praktischer Arbeitseinsatz im Büro über fünfundzwanzig Jahre zurücklag. Damals hatte sie um eine elektrische Schreibmaschine betteln müssen.
Jo besaß jetzt seit einigen Jahren einen Computer und hatte ihn benutzt, um Protokolle zu schreiben, sich etwas zu notieren und, in jüngerer Zeit, übers Internet einzukaufen. Aber sie konnte weder ein Programm zur Tabellenkalkulation bedienen noch irgendeins der Buchhaltungsprogramme, die in einem modernen Büro verlangt werden würden.
»Und selbst wenn ich es könnte«, hatte sie zu Karen gesagt, »würde mich in meinem Alter niemand einstellen.«
Ihre Tochter hatte mit der Zunge geschnalzt, die Wahrheit dieser Bemerkung jedoch anerkannt.
Also würde sie ihren eigenen Job schaffen und selbstständig arbeiten müssen, doch fürs Erste hatte sie Dora, um die sie sich kümmern konnte. Und sie mussten beide an einer Rallye teilnehmen.
»Ich bin fix und fertig«, rief sie Dora zu, die mit einer Zahnbürste den Bodensatz aus den Fugen zwischen den Küchenkacheln schrubbte. »Hast du schon Hunger?«
»Hm. Eindeutig. Soll ich Fisch und Pommes frites holen?«
»Wir werden zusammen gehen, und ich werde dir die Läden zeigen. Du hast eine Belohnung verdient. Ich bin wirklich dankbar für deine Hilfe, vor allem an deinem ersten Abend hier.«
Als sie am Duschblock vorbeikamen, blieb Jo plötzlich stehen. »Oh, Dora, es tut mir so leid! Ich habe einen Brief für dich. Hier holen wir unsere Post ab, deshalb ist es mir gerade wieder eingefallen.« Sie stöberte in ihrer Handtasche und gab Dora einen Umschlag.
»Das ist Dads Schrift«, bemerkte sie.
»Du brauchst ihn nicht jetzt zu öffnen«, bemerkte Jo nach einem kurzen Schweigen, als sie den Ausdruck auf Doras Gesicht sah. »Du kannst es ein andermal tun. Lass uns gehen. Ich kann den Essig beinahe riechen.«
Den größten Teil ihres Abendessens verzehrten sie auf dem Heimweg. »Schließlich wollen wir nicht noch einmal sauber machen«, erklärte Dora, die, wie Jo feststellte, ein Mädchen ganz nach ihrem Herzen war.
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Kapitel 2
I ch sollte dich warnen: Ich bezweifle, dass irgendjemand da sein wird, den du auch nur annähernd interessant findest«, sagte Jo zu Dora, als sie an den Anlegern entlanggingen. Sie hatten sich am Nachmittag den Manövrierwettbewerb angesehen und waren jetzt auf dem Weg zum
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