Glücklich gestrandet
Abendessen. Es war ein warmer Abend, und die Lichter der Boote spiegelten sich im Wasser. »Auf einem der Boote am Ende der Reihe wohnen junge Leute, aber sie sind dieses Wochenende nicht da. Ich nehme an, es werden nur alte Knacker kommen. Wahrscheinlich in Blazern und weißen Hosen. Und sogar mit Halstüchern.«
Dora lachte. »Das macht mir nichts aus. Ich bin definitiv nicht auf der Suche nach einem neuen Freund.«
»Das weiß ich, doch es wäre schön, wenn irgendjemand unter fünfzig dabei wäre, mit dem du reden könntest. Du sollst dich schließlich nicht zu Tode langweilen. Karen hätte mir stundenlang etwas vorgejammert, wenn ich sie zu einer Veranstaltung mitgeschleppt hätte, die ihr keinen Spaß gemacht hat.«
»Früher hätte ich das wahrscheinlich auch getan, aber jetzt wünsche ich mir nichts mehr, als mit Leuten, die alt genug sind, um meine Großeltern zu sein, über das Wetter zu plaudern. Wirst du viele von den ›alten Knackern‹ kennen?«
Jo kicherte. »Ich glaube nicht, dass ich wirklich jemanden kenne, auf den diese Beschreibung zutrifft. Ich kenne die Leute von hier, doch es sind auch viele Boote von auswärts da. Und es werden Gäste kommen, die selbst kein Boot haben, aber sich eins zulegen wollen. Tilly von der Appalachia – das ist das Boot mit dem hölzernen Deck und den Blumenkübeln neben unserem – wird auf jeden Fall da sein. Sie ist eine tolle Frau. Du wirst sie mögen. Ihre Maschine ist rosafarben gestrichen.«
»Wow!«
»Dann ist da noch das Ehepaar von der Blackberry. Sie sind entzückend. Schon ziemlich alt und nicht die ganze Zeit hier, doch unheimlich nett. Doug hat mir geholfen, als ich mir das erste Mal Gas besorgen musste.«
»Ich werde mir bestimmt nicht alle Namen merken können.«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich werde dich ohnehin nicht vielen Leuten vorstellen, weil ich auch ein hoffnungsloser Fall bin, wenn es um Namen geht. Ich werde einfach nur sagen, dass du Dora bist.«
»Und was noch?« Dora blieb stehen und griff nach Jos Arm, weil ihr plötzlich klar wurde, dass sie ihren Aufenthalt bei Jo irgendwie würden erklären müssen.
Verblüfft von der Eindringlichkeit ihrer Worte, drehte Jo sich zu ihr um. »Wie meinst du das?«
»Nun, du wirst ihnen einen Grund nennen müssen, warum ich hier bin, nicht wahr?«
Jo schüttelte den Kopf, als sie begriff, wovon Dora sprach. »Ganz und gar nicht. Ich werde einfach sagen, dass du für eine Weile versuchen willst, in der Nähe von London zu leben, und dass du bei mir wohnst, weil es billig ist.«
»Hm, das ist wahr. Bisher war es kostenlos.«
Jo machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du bist erst gestern angekommen, und wenn du einen Job hast, kannst du mir Miete zahlen. Also, findest du, dass ich gut aussehe?«
Natürlich wäre es besser gewesen, wenn Jo diese Frage auf dem Boot gestellt hätte, als sie notwendige Veränderungen noch hätte vornehmen können, überlegte Dora, aber aus irgendeinem Grund hatte Jo das nicht getan. Daher war es sinnlos, jetzt noch Puder vorzuschlagen oder darauf hinzuweisen, dass sie Farbflecken auf ihrer Hose hatte. »Du siehst prächtig aus.«
»Findest du dieses Top nicht ein wenig grell?« Jo zupfte daran.
Dora dachte darüber nach und log. »Ähm. Eigentlich nicht.«
»Das bedeutet, du findest es tatsächlich grell.« Jo stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Ich habe all meine geschmackvollen Kleider bewusst zurückgelassen. Ich wollte einen neuen Anfang.« Sie gingen weiter.
»Klar.«
»Und ich wollte nicht unsichtbar sein.«
»Warum um alles in der Welt solltest du unsichtbar sein?«, entgegnete Dora überrascht.
»Frauen in meinem Alter sind unsichtbar. Das ist ein wohlbekanntes Phänomen.«
Dora räusperte sich. »Nun, du wirst ganz bestimmt nicht unsichtbar sein, nicht in diesem Top.«
Jo griff sich an den Ausschnitt, der ziemlich tief war. »Es ist nicht zu offenherzig und zu glitzerig, oder?«
»Eigentlich nicht. Ich meine, es ist ziemlich glitzerig, aber es sind sehr dezente Ziermünzen und Glasperlen.«
»Und was ist mit der Offenherzigkeit?«
»Es ist absolut respektabel. Selbst meine Mutter würde etwas mit so einem tiefen Ausschnitt tragen.«
Jo lachte erleichtert. »Karen würde sich nicht einmal tot mit mir sehen lassen, wenn ich ein solches Top trüge.«
»Aber ich.« Dora versuchte, beruhigend zu klingen.
Jetzt, da der Weg breiter war und sie nebeneinanderher gehen konnten, hakte Jo sich auf freundschaftliche Weise bei Dora
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