Glücklich gestrandet
kippte sie ihr Make-up auf das Bett und fand die Cremetube, die Karen ihr geschenkt hatte: »Die hilft garantiert gegen deine Augenringe, Mum.« Traurigerweise konnte sie nichts anderes tun, aber da ihr Make-up mit der Creme tatsächlich ein wenig länger hielt, fand sie sie nützlich.
Als Nächstes trug sie ein weiteres teures Produkt auf, diesmal eins, das sie selbst bezahlt hatte. Diese Creme enthielt »lichtreflektierende Partikel« und eine ganze Liste technisch klingender Chemikalien, die Abhilfe gegen »die dunklen Ringe und Schwellungen« unter ihren Augen und ein jugendlicheres Aussehen versprachen. Sie glaubte eigentlich nicht, dass man Jugend mittels eines hübschen kleinen Tiegels von außen auftragen konnte, aber abergläubisch, wie sie war, versuchte sie es dennoch.
Die Begegnung mit der neuen Frau ihres Exmannes gestern und das Wissen, dass Marcus ebenfalls eine viel jüngere Partnerin hatte, vergrößerte die normalen Unsicherheiten noch, die jede Frau bezüglich ihres Aussehens verspürte. Sie versuchte, nicht wie eine Hexe auszusehen, wohl wissend, dass das angesichts ihres Alters fast unmöglich war. Verglichen mit Samantha und Carole musste sie einfach wie eine Hexe aussehen.
Als Nächstes besprühte sie sich mit Chanel Nummer neunzehn. Es konnte kein Altdamenduft sein, da Karen sich dieses Parfüm früher oft bei ihr ausgeliehen hatte. Dann tauchte sie die Finger in ein Haarprodukt, das ebenfalls der Schwerkraft entgegenwirkte, und zupfte an ihren Locken. Warum war ihr nicht schon eher aufgefallen, wie dringend ihre Haare geschnitten werden mussten?
»Jo?«
Als sie Doras zaghafte Stimme hörte, legte Jo gerade noch rechtzeitig die Nagelschere beiseite. »Ja?«
»Da hat gerade etwas gepiept. Muss ich irgendetwas tun?«
»Nein, ich komme besser selbst.«
Hastig versteckte sie alles wieder und verließ die Kabine, um festzustellen, was in der Kombüse geschehen war, während sie ihr den Rücken zugekehrt hatte.
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Kapitel 13
T ut mir leid, dass ich so spät komme«, sagte Marcus mehr als eine Stunde, nachdem Jo ihr Make-up aufgetragen hatte. »Ich bin aufgehalten worden.«
Er wirkte nicht zerknirscht, eher verärgert. Hm, dachte Jo und fügte der Liste seiner Eigenschaften »launisch« hinzu.
»Kein Problem«, meinte Jo unbeschwert, als hätte sie nicht die letzte halbe Stunde damit verbracht, Qualen wegen der Frage zu leiden, ob das Fleisch kalt wurde, die Kartoffeln verbrannten und der Yorkshirepudding vertrocknete. Schließlich war es nicht seine Schuld, dass sie sich zu ihrer Sonntagsessenstherapie entschlossen hatte.
Sie stellte die drei einander vor und bat sie dann alle, sich hinzusetzen, damit sie auftragen konnte. Während sie Gemüseschalen aus dem Ofen nahm, Soße in einen kleinen Krug füllte und ganz allgemein das Essen auf den Tisch brachte, hörte sie, wie Tom versuchte, Marcus zu fragen, ob er mitkommen dürfe, ohne es wirklich auszusprechen.
Zu Toms Glück schien er einen guten Eindruck auf Marcus zu machen, und schon bald erörterten sie Pläne für die Reise. Dora beteiligte sich an dem Gespräch, und Jo gestattete sich, Stillschweigen zu bewahren. Sie hatte getan, was sie sich vorgenommen hatte: eine Mahlzeit gezaubert, die trotz einiger Komplikationen ein Erfolg war. Und alle machten sich begeistert über das Essen her.
Gerade als Jo darüber nachdachte, den Nachtisch zu holen, bemerkte Marcus: »Ich weiß, du hast gesagt, du würdest mitkommen, Joanna, aber ich möchte den wahren Grund wissen, warum du dabei solch ein Widerstreben empfindest.«
Hätte sie diese Frage erwartet, hätte sie sich eine Antwort zurechtgelegt, aber da sie vollkommen aus heiterem Himmel kam, musste sie auf die Wahrheit zurückgreifen. »Weil ich furchtbare Angst habe. Ich sage das immer wieder, doch niemand scheint mir zu glauben.«
Stille trat ein; alle hörten auf zu kauen. »In Ordnung«, erwiderte Marcus gelassen und stand auf. »Dora, können Sie sich um alles Weitere kümmern? Joanna und ich werden einen Spaziergang unternehmen.«
Tom und Dora tauschten einen Blick, schwiegen jedoch.
»Aber ich kann nicht alles stehen und liegen lassen!«, protestierte Jo, die an die übereinandergetürmten, fettigen Schalen und Backformen dachte, die sich auf jeder verfügbaren freien Fläche stapelten.
»Doch, kannst du«, erklärte Marcus. »Komm mit.«
Sie gehorchte. Sein befehlender Tonfall gefiel ihr nicht, doch etwas in
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