Glücklich gestrandet
seinem Blick machte ihr klar, dass es sicherer war, sich zu fügen. Sie tröstete sich damit, ihm auf diese Weise ohne Publikum die Meinung sagen zu können. Während sie die Treppe hinaufging, begannen Tom und Dora, Teller in die Spülmaschine zu stellen.
Marcus sprach erst, als sie sich an Land befanden und durch das Tor gegangen waren.
»Ich habe wirklich nicht das Gefühl …«, begann Jo, ohne zu wissen, was sie eigentlich fühlte.
»Ich möchte herausfinden, warum du solche Angst hast«, erwiderte Marcus leise. »Und dann werde ich dich beruhigen. Tom scheint mir ein guter Kerl zu sein«, fuhr er fort, sodass Jo nicht länger protestieren konnte.
»Oh ja. Er möchte wirklich gern mitkommen. Ich hoffe, du wirst es ihm erlauben. Und Dora – ich fühle mich für sie verantwortlich.«
»Ist sie einigermaßen gelassen? Nicht der Typ, der zu Hysterie neigt, und in der Lage, eine Tasse Tee aufzubrühen?« Er ging entschlossen weiter, und Jo hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Obwohl sie selbst am Rande der Hysterie stand, lachte sie. »All das. Sie und Tom entwickeln sich zu einem guten Team.«
»Gehen sie miteinander?«
Jo runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nur Freunde sind, aber wer will sagen, ob das so bleibt? Wohin gehen wir?«, fügte sie hinzu und bediente sich damit seiner Technik, plötzlich das Thema zu wechseln.
»Wir unternehmen nur einen Spaziergang. Wir werden für ein Weilchen am Fluss entlanggehen und uns dann eine freie Bank suchen.«
Statt den Weg zum Pub und zu den Läden einzuschlagen, führte er sie in die andere Richtung, überquerte eine Brücke und ging über einen Feldweg, bis sie auf dem Treidelpfad angelangt waren.
»Überredest du häufig Leute dazu, Fahrten über die Nordsee zu unternehmen?«, fragte Jo, als sie Seite an Seite gingen.
Er lachte und schüttelte den Kopf. »Nein. Normalerweise erkläre ich ihnen, dass sie nicht mitkommen können, dass sie ihre Freundin nicht mitbringen dürfen, dass sie keine Fahrkarten an all ihre Freunde verkaufen dürfen.«
»Das tun die Leute doch nicht wirklich, oder?«
»Nein, aber sie sind erpicht darauf, diese Fahrten als Vergnügungsreisen anzusehen, und wenn alle ihren Spaß haben wollen, ist es eine gefährliche Ablenkung, zu viele Leute an Bord zu haben.«
»Dann willst du mich bestimmt nicht dabeihaben, denn ich bin ganz sicher eine gefährliche Ablenkung.«
Sie neckte ihn und erwartete, dass er lachen würde, aber er blieb ernst. »Nein, das bist du nicht. Nun, jedenfalls nicht …« Er sah sie wieder auf beunruhigende Weise an. »Wie dem auch sei, nur in zweiter Linie will ich dich dabeihaben, weil du eine gute Köchin bist und alle bei Laune halten würdest. In erster Linie möchte ich, dass du deine Angst vor dem Meer verlierst.«
»Wenn ich nicht mitkäme, spielte es doch keine Rolle, ob ich Angst vor dem Meer habe.« Wirklich, er war so schwer zu durchschauen. Philip war immer so durchsichtig gewesen, dass sie mit der Zeit vorausgesehen hatte, was er als Nächstes sagen würde. Marcus war ganz anders.
Er ignorierte ihre Bemerkung und griff nach ihrem Arm. Wieder musste sie lange Schritte machen, um mit ihm mitzuhalten, und sie schwiegen, bis Marcus ein Fleckchen gefunden hatte, das ihm behagte. Es war eine Bank mit Blick auf den Fluss. Vermutlich handelte es sich bei den Bäumen, die sie vor sich sahen, um Toms Insel, wo sein Boot neben anderen lag, die verrotteten und verfielen, bis sie eins wurden mit dem Fluss und der umliegenden Vegetation.
»Also«, begann er, »wovor genau fürchtest du dich?«
Jo dachte nach. Es war sehr schwer, irrationale Ängste in Worte zu fassen – was immer man sagte, klang dumm und schwach. »Ich weiß es nicht. Ich denke, ich habe einfach Angst. Ich werde tatsächlich seekrank, was die Sache nicht eben vereinfacht, und ich bin nicht gern auf kleinen Booten, nicht einmal auf Fähren. Das Meer ist so weit, so endlos, so absolut gnadenlos.«
Marcus antwortete nicht sofort. »Das Meer ist weit, das stimmt, doch denk einmal an die kleinen Boote und Schiffe, die es bereist haben, seit der Mensch Baumstämme ausgehöhlt hat. Es ist außerdem ziemlich nützlich.«
»Nützlich?« Nach den gewaltigen, schwärmerischen Ausdrücken, mit denen man ihr das Meer bisher beschrieben hatte, wirkte das Wort »nützlich« ein wenig knauserig. »Nein, wirklich.« Sie beschloss, es mit leichter Ironie zu versuchen. »Ich glaube nicht, dass das funktioniert.
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