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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Heinzi nur mehr ein paar Privatkunden wie mich beliefert.“
    „Und warum hast du seine Faulheit unterstützt?“
    „Weil er mir leid getan hat. Dieser Fischereikrieg hier am See tobt seit den 70er Jahren. Die Fischgründe sind irgendwann mal nach den Gemeinden aufgeteilt worden. Der nördliche Teil des Sees ist damals Heinzis Vater zugeteilt worden. Das Revier des Roither-Bauern begann erst kurz vor Nußdorf. Aber darum hat sich dieser präpotente Roither nie gekümmert. Er fischt, wo und wann immer er will. Ich würde von ihm niemals einen Fisch kaufen. Nicht nur, weil er uns den Wald abgeluchst hat. Man sagt auch, dass er die toten Fische in einem selbstgebauten Bassin im See schwimmen lässt und sie dann als frische Fische verkauft.“
    „Warum zeigt ihn keiner an?“
    „Warum wohl? Wir leben auf dem Land, liebe Joe. Der hat überall seine Finger drin, sitzt im Gemeinderat, singt im Kirchenchor, ist bei der Freiwilligen Feuerwehr … Der tanzt auf allen Hochzeiten. Als ich den Heinzi zum letzten Mal gesehen habe, hat er gesagt, dass er dem Ganzen nicht mehr lange zuschauen wird. Wenn der Heinzi mal den Mund aufbrachte, hat er meistens große Sprüche geklopft. Ich hab ihn nicht ernst genommen. Ich kenne ihn, seit er so klein war.“ Sie deutete die Größe eines Vierjährigen an. „Er ist mit Albert in die Volksschule gegangen. Sie saßen sogar in einer Bank. Und nach der Schule war er meistens bei uns. Der Fischer-Hans war Alleinerzieher. Seine Frau ist mit einem anderen davongelaufen, als der Bub kaum aus den Windeln war. Man kann es ihr nicht einmal verdenken. Warst du mal bei ihnen unten in der Hütte?“
    Ich schüttelte den Kopf. Keine zehn Pferde hätten mich damals dorthin gebracht. Mir war der alte griesgrämige Fischer nicht ganz geheuer gewesen. Als kleines Mädchen hatte ich mich richtiggehend vor ihm gefürchtet.
    „Da hast du echt was versäumt. Tiefstes 19. Jahrhundert. Ein Wunder, dass sie überhaupt Strom hatten.“
    „So armselig?“
    „Richtig arm war der Alte nicht. Es hat ihn halt nichts anderes interessiert als das Fischen. Der Junge hat es schwer gehabt. Sein Vater hat sich kaum um ihn gekümmert. Entweder hat er ihn ignoriert oder er hat ihn misshandelt. Der Heinzi hat trotzdem nie was über seinen Vater kommen lassen. Er war ein total verwahrlostes Kind. Deshalb habe ich mich ja seiner angenommen. Im Laufe der Jahre wurde er immer mehr zum Einsiedler. Der einzige Mensch, mit dem der Heinzi als Erwachsener regelmäßig Kontakt hatte, war Albert.“
    Ich hörte ihr nicht mehr zu, sondern fragte mich die ganze Zeit schon, ob diese beiden Todesfälle zusammenhingen. Zwei gewaltsame Todesfälle in knapp zwei Wochen in einem so netten, kleinen Ort wie Seewalchen? Das war wohl mehr als ein Toter zuviel. Doch ich wollte diesen Gedanken mit Walpurga nicht näher erörtern und bat sie daher: „Erzähl mir mehr von Franzi. Ich habe oft an sie gedacht. Du weißt, wie das mit Jugendfreundschaften so ist …“
    „Das Leben war für dich damals kein Honiglecken. Als Gisela starb …“
    Ich hatte auch keine Lust, mit ihr über den frühen Tod meiner Mutter zu reden. „Bitte, Walpurga, lass uns bei Franzi bleiben. Ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, eine Schwester – Halbschwester“, verbesserte ich mich sofort, „– zu haben. Ich kannte sie ja nur als Kind.“
    „Sie hat es nicht leicht gehabt. Aber sie hat sich ihr Leben selbst verpfuscht oder war zumindest mit schuld …“
    „Du meinst ihre frühe Schwangerschaft?“
    „Nicht nur. Sie ist leider sehr leichtsinnig und verantwortungslos. Sie war ein schwieriges Kind und in der Pubertät hat sie uns die Hölle heiß gemacht. Zugegeben, ihr Stiefvater hat einiges dazu beigetragen, dass sie sich …“ Walpurga zögerte. Bevor ich nachhaken konnte, sprach sie weiter: „Einerseits hat er sie verwöhnt und ihrem Bruder gegenüber bevorzugt, andererseits ist er sehr brutal mit ihr umgesprungen.“
    Erstaunt zog ich die Brauen hoch. Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass Philip Mankur seiner Stieftochter allzu viel Beachtung geschenkt hatte.
    Walpurga schien mein Erstaunen nicht zu entgehen.
    „Ich habe zusehen müssen, wie meine Tochter mehr und mehr abgesackt ist. Kaum hatte sie das Haus verlassen, hat sie sich wie eine Schlampe aufgeführt. Alkohol, Sex mit unmöglichen Männern, ja sogar Drogen waren mit im Spiel. Von mir hat sie sich bald nichts mehr sagen lassen. Kurz vor der Matura hat sie die

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