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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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mir ernst in die Augen. Plötzlich weiteten sich seine Pupillen. Und bevor er etwas sagen konnte, fiel ich ihm um den Hals.
    „Hey Joe“, krächzte er verlegen, erwiderte jedoch meine Umarmung.
    Sein Kollege sah uns völlig verdattert an.
    „Was machst  du  denn hier?“, fragten Gustav und ich einander gleichzeitig.
    Wie sich herausstellte, war mein Jugendfreund Gustav Mahringer heute Chefinspektor beim LKA und nicht nur der ermittelnde Beamte im Fall Mankur, sondern auch zuständig für den Mord an Heinz.
    Während Gustav die anderen begrüßte, musterte ich ihn kritisch, fand aber an seinem Äußeren nichts auszusetzen. Sein ehemals glattes, rundes Gesicht hatte ein paar Kanten und Falten abbekommen, doch er hatte nach wie vor gütige Augen. Meine Mutter hatte einmal behauptet, dass Gustav ein gutmütiger Junge wäre, der aufpassen müsste, von anderen nicht ausgenützt zu werden. Ich hatte das damals ganz anders gesehen. Heute gab ich ihr recht.
    Geduldig hörte er sich gerade Walpurgas Klagen über den neuen Todesfall auf ihrem Grund und Boden an. Er ging nicht im üblichen Polizeistil vor, stellte keine direkten Fragen, sondern benahm sich sehr diskret und äußerst höflich.
    Von frühester Kindheit an hatten Gustav, Willi, Franzi und ich eine verschworene Clique gebildet. Wir hatten zusammen Schwimmen, Tauchen und Radfahren gelernt, Mutter-Vater-Kind und Cowboy und Indianer miteinander gespielt. Gustav und ich hatten immer die Bösen mimen müssen. Franzi war unser Boss gewesen und hatte die Rollen verteilt. Im zarten Alter von vierzehn war Gustav mein einziger Verehrer gewesen. Und er war der erste Mann gewesen, der mich richtig geküsst hatte. Es hatte erst beim zweiten Versuch geklappt, beim allerersten Mal hatte er noch eine Ohrfeige kassiert. Ich erinnerte mich ganz genau an dieses wichtige Ereignis:
    Wir gingen schweigend zum See hinunter. Die Abendsonne breitete über die Bäume am Ufer einen golden schimmernden Schleier. Die blühenden Rosen in den Gärten am Wegesrand verströmten einen betörenden Duft. Gustav legte den Arm um meine Schultern.
    Ich schob ihn nicht weg, sondern umfasste zögernd seine Taille. Nach den ersten unbeholfenen Versuchen schafften wir es mehr oder weniger, im Gleichschritt zu gehen. Ich hätte diesen Abendspaziergang gern stundenlang fortgesetzt.
    Als die Sonne hinter den Hügeln zu verschwinden drohte, blieb er abrupt stehen, zog mich an sich und presste seine Lippen auf meinen Mund. Ich war so überrascht, dass ich ihn gewähren ließ. Öffnete sogar bereitwillig meine Lippen, als sich seine Zunge langsam vortastete. Ich könnte nicht mehr sagen, wie lange wir unter der hohen Birke standen und uns küssten. Damals schien die Zeit stillzustehen.
    Es war mir nicht lange vergönnt, in süßen Erinnerungen zu schwelgen. Gustav und sein Kollege begannen im Arbeitszimmer mit den Vernehmungen.
    Albert wurde als erster einvernommen. Mit gesenktem Haupt und schlurfendem Gang, wie ein Verurteilter, dem das Schafott bevorsteht, folgte er Gustav.
    Ich kam gleich nach Albert dran. Da ich leider mehr Erfahrung mit Verbrechen hatte, als mir lieb war, und schon öfters verhört worden war, bildete ich mir ein zu wissen, worauf es ankam. Zumindest nahm ich mir vor, Gustavs Fragen kurz und bündig und möglichst wahrheitsgemäß zu beantworten, nichts auszuschmücken, keine Vermutungen oder gar Verdächtigungen zu äußern.
    Meine Einvernahme ähnelte anfangs eher einer netten Kaffeehausplauderei. Als Gustav nach dem wahren Grund für meine Anwesenheit im Schloss fragte, fiel meine Antwort fast ehrlich aus. Ich gab zu, für Franzi einen ordentlichen Anwalt zu suchen.
    Ich erwischte mich dabei, wie ich Gustav mit Jan verglich. Manchen Menschen merkt man es an, dass sie Freude an ihrer Arbeit haben. Gustav schien seinen schrecklichen Beruf zu lieben, wusste aber anscheinend auch das Leben zu genießen. Für ihn bestand sicher nicht die Gefahr, depressiv zu werden, so wie bei Jan und mir. Wir neigten beide dazu, alles zu hinterfragen, zu analysieren, und verdarben uns selber mit unseren ewigen Grübeleien jeden Spaß, jede Freude an den schönen Nichtigkeiten des Lebens.
    Als mir bewusst wurde, dass Gustav Franzi verhaftet hatte, fand ich ihn plötzlich gar nicht mehr so nett. Ab nun antwortete ich eher einsilbig.
    Meine Zuneigung zu Kriminalbeamten geriet noch stärker ins Schwanken, als Gustav indirekt einen Verdacht gegen Mario äußerte. „Aus Franzi ist nichts rauszubringen. Sie

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